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Wirtschaft: „Wir werden Selbstbewusstsein erzeugen“

Der Sportmanager Mike de Vries über die Fußballweltmeisterschaft, den FC Deutschland 06 und über Humor im „Land der Ideen“

Herr de Vries, was mögen Sie an Deutschland am wenigsten?

Das kollektive Jammern. Den Deutschen ist der Humor abhanden gekommen. Schauen Sie sich an, wie die Menschen herumlaufen: mit gesenkten Köpfen und hängenden Mundwinkeln. Niemand kauft mehr ein, niemand fühlt sich wohl, niemand will mehr Risiken eingehen.

Jetzt jammern Sie auch.

Ich lache oft, glauben Sie mir. Und ich gehe Risiken ein. Nur mit dieser Bereitschaft kommen Einzelne und unsere Gesellschaft insgesamt voran.

Und deshalb gehen Sie das Risiko ein, Deutschland zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 als „Land der Ideen“ zu verkaufen?

Absolut. Es gibt im Moment in Deutschland kaum einen besseren Job, um etwas zu bewegen.

Welche Idee steckt dahinter?

Es geht um die Verbesserung des Deutschlandbildes nach innen und außen. Unser Selbstbild soll geschärft werden: In welchem Land leben wir? Was haben wir in schwierigen Zeiten geschafft? Womit können wir uns sehen lassen? Wir wollen Selbstbewusstsein erzeugen, das wirkt dann nach außen. Erst wenn die Stimmung in Deutschland gut ist, schauen sich Investoren den Standort an.

Warum hat sich bislang kein deutscher Konzern zu Ihrer Idee bekannt? Zehn Millionen Euro soll die Industrie zur Finanzierung beisteuern, passiert ist noch nichts.

Das ist nicht richtig. Ich habe schon schätzungsweise 15 Unternehmen besucht. Zwei sind abgesprungen, acht haben ihre finanzielle Zusage gegeben. Das Volumen liegt zurzeit bei cirka sechs bis sieben Millionen Euro. Mit weiteren acht bis zehn Unternehmen gibt es konkrete Gespräche mit positiven Tendenzen, mit zehn weiteren nehmen wir gerade Kontakt auf. Ich bin sicher, dass wir am Ende mehr als die geforderten zehn Millionen Euro zusammenbekommen.

Bis wann?

Ende des Monats werden wir eine erste Gruppe von mindestens zehn Unternehmen vorstellen und die Projekte, an denen sie arbeiten. Es kann gut sein, dass wir die zehn Millionen Euro dann schon zusammenhaben.

Was haben die Unternehmen davon?

Mir ist wichtig, dass die Firmen nicht nur direkte Eigenvorteile suchen, sondern Verantwortung für den Standort Deutschland übernehmen. Angesichts der aktuellen Kapitalismus-Diskussion ist es umso dringlicher für die Unternehmen, Signale zu setzen und zu zeigen, dass sie sich engagieren.

Aber Unternehmen sind keine gemeinnützigen Organisationen. Denen müssen Sie doch mehr bieten.

Die Erwartungshaltung ist richtig. Deshalb verkaufen wir Nutzungslizenzen, die den Unternehmen umfangreiche Rechte an der Kampagne geben. Die Nutzung dieser Rechte und die daraus sich ergebende Wertschöpfung müssen die Firmen allerdings selber aktivieren.

Zum Beispiel?

Das „Land der Ideen“ kann in der PR verwendet werden, in der Werbung oder sogar als Produkt-Label. Die Unternehmen können die Patenschaft für eine öffentliche Skulptur, eine Vortragsreihe oder einen Schulwettbewerb übernehmen. Wir stellen dafür ein Programm von acht Einzelprojekten zur Verfügung. Es ist auch möglich, ein eigenes Projekt innerhalb unserer Kampagne zu entwickeln. Wir sind keine Spendenempfänger, sondern wir brauchen aktive Partner für die Durchsetzung der Kampagne.

„Land der Ideen“ statt „Made in Germany“?

Das ist meine Wunschvision. Das „Land der Ideen“ als Gütesiegel für deutsche Produkte und den Standort insgesamt. Wenn zum Beispiel Porsche seine Neuwagen aus der Fabrik in Leipzig rollen lässt und mit dem Schriftzug „Product of Germany - Land of Ideas“ nach Amerika verschifft, dann ist das eine Qualitätsaussage, die dem Statement „Made in Germany“ sehr nahe kommt.

Aber während der Fußballweltmeisterschaft muss Ihre Kampagne eine Pause machen, damit sie den Fifa-Sponsoren nicht in die Quere kommt…

Wir hatten da natürlich Abstimmungsbedarf. Die WM ist für uns absolut werbefreie Zone, räumlich wie zeitlich. Das heißt, die Kampagne tritt auf, aber ohne die Partner. Wobei es uns nicht vorrangig um die WM geht, sie ist nur die Plattform für unsere Kommunikation. Mit dem Fußball, den Stadien und den Fans beschäftigen wir uns nicht, das ist Sache des WM-Organisationskomitees und der Fifa. Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft, Land und Leute – das ist unser Thema. In den nächsten 30 bis 50 Jahren werden wir nicht noch einmal so eine Chance haben, im Fokus der Weltöffentlichkeit zu stehen. Es kommen eine Million Besucher, 15000 Medienvertreter. Diese Gelegenheit nutzen wir, um Informationen über Deutschland aufzubereiten und zu präsentieren. Sie werden sich wundern, wo die Kampagne zu sehen sein wird.

Wann geht die Kampagne denn los?

Wir starten im Juni/Juli und werden den Schwerpunkt im WM-Jahr haben. In Berlin werden dann Skulpturen mit großen Innovationen wie der Aspirin-Tablette und dem modernen Auto zu sehen sein, sie werden nach und nach in einer dramaturgischen Reihenfolge enthüllt. Das verbinden wir mit einer Geschichte zum Thema. Wenn das Styropor-Modell eines deutschen Autos vor dem Brandenburger Tor enthüllt wird, dann werden wir erklären: Welche Erfindungen gab es in Deutschland? Wer vertritt die Industrie? Was heißt Mobilität heute? Es wird an Schulen, Universitäten und mit den Medien einen Tag der Automobilindustrie geben, an dem sich vielleicht jeder mal eine Stunde mit dem Thema beschäftigt.

In der Wirtschaft gibt es Bedenken, die Kampagne könne im Wahljahr politisch instrumentalisiert werden.

Schirmherr der Kampagne ist der Bundespräsident, nicht die Regierung. Die jetzige Standort-Kampagne hat sich von der Ursprungsidee einer reinen emotionalen Fußballkampagne, die in Gesprächen zwischen dem Kanzleramt und dem BDI entstand und Deutschland als eine Art Fanclub darstellen sollte, zu einer klaren Standortkampagne entwickelt. Das ist auch gut so, weil sich die Wirtschaft jetzt leichter beteiligen kann. Das Gespräch führten Robert Ide und Henrik Mortsiefer

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