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Wirtschaft: "Wir werden zeigen, dass T-Online ein Substanzwert ist"

Interview

Der T-Online-Chef über fallende Internet-Aktien, das Zuteilungsverfahren und die Expansionspläne der Telekom-Tochter

Wolfgang Keuntje (42) ist Vorstandschef der T-Online International AG. Die Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom beschäftigt rund 1100 Mitarbeiter. Keuntje wechselte 1994 vom Stuttgarter Kommunikationsunternehmen Alcatel SEL in den Telekom-Konzern. Hier arbeitete er zunächst bei DeTeSystem. Im Sommer 1996 wurde er Geschäftsführer der Deutschen Telekom Online Service GmbH, die seit dem 1. Januar 2000 als T-Online International firmiert. Das Unternehmen geht am 17. April an den Neuen Markt. 100 Millionen Aktien, knapp zehn Prozent des Aktienkapitals, kommen in den Handel. Aktien können bis zum 12. April gezeichnet werden. Angeboten werden die Aktien in einer Spanne von 26 bis 32 Euro. Die Deutsche Telekom bleibt - zunächst mit etwas mehr als 82 Prozent - Mehrheitsaktionär bei T-Online. Außerdem halten die französiche Lagardère Gruppe knapp sechs und die Comdirect Bank rund zwei Prozent der Anteile.

Herr Keuntje, ärgert es Sie, dass der Börsengang von T-Online in eine Zeit fällt, in der es Internetwerte relativ schwer haben?

Nein, überhaupt nicht. Das finde ich gut. Das gibt uns die Chance zu zeigen, dass T-Online ein Substanzwert ist. Es wäre viel schwieriger, in einer Hochphase einzusteigen und dann bei fallenden Kursen den Investoren eventuell erklären zu müssen, wo ihr Geld geblieben ist.

Hätten Sie nicht viel mehr Geld einnehmen können, wenn Sie ein paar Monate früher aufs Parkett gegangen wären?

Uns geht es bei diesem Börsengang nicht darum, ein Maximum zu erlösen. Es soll ein fairer Preis für die Aktie erzielt werden. Wir brauchen die Aktien im wesentlichen als Akquisitionswährung. Wir wollen damit weltweite Firmenübernahmen finanzieren. Daher ist es nicht wichtig, beim Börsengang den letzten Cent herauszuholen.

Sie bringen nur knapp zehn Prozent des Aktienkapitals von T-Online an den Markt. Verknappen Sie das Angebot, um den Preis in die Höhe zu treiben?

Dass die Nachfrage größer ist, als das Angebot, ist klar. Selbst, wenn wir eine Milliarde Aktien an die Börse bringen würden, wäre das immer noch nicht genug. Wir wollen die Papiere, wie gesagt, als Akquisitionswährung einsetzen. Daher macht es keinen Sinn, mehr als zehn Prozent aus der Hand zu geben, sonst können wir sie für die Expansion ja nicht mehr verwenden.

Der Verkaufsprospekt ist erst am vergangenen Montag - am ersten Tag der Zeichnungsfrist - erschienen. Ist das nicht ein bisschen spät?

Die Zeichnungsfrist für Privatanleger dauert zwölf Tage. Jeder hat die Möglichkeit, sich die Unterlagen zu besorgen, in Ruhe zu lesen und dann zu zeichnen. Wer später zeichnet, wird nicht anders behandelt, als der, der schon am Montag geordert hat. Daher ist kein Grund zur Eile gegeben.

Wie soll die Zuteilung erfolgen?

Wir werden darüber am Ende der Zeichnungsfrist entscheiden - in der Nacht vom 14. auf den 15. April.

Beim Börsengang von Infineon gab es viel Kritik am Zuteilungsverfahren. Welches Verfahren präferieren Sie?

Das kann ich heute noch nicht sagen, weil das Verfahren davon abhängen wird, wieviele Anleger zeichnen, welchen Anteil private und institutionelle Investoren haben und wie hoch das Ordervolumen ist. Erst wenn wir das wissen, können wir uns für eines der möglichen Verfahren entscheiden.

Wann erfährt der private Anleger, ob und wieviele Papiere er bekommt?

Wir werden das Verfahren am kommenden Sonntag bekanntgeben - bevor die Banken etwas mitteilen. Deshalb endet die Frist für private Anleger bereits am 12. April, damit genügend Zeit bleibt, die Zuteilung vorzunehmen. Spätestens am Montagmorgen weiß jeder, wieviele Aktien er im Depot hat.

Rechnen Sie damit, dass viele Anleger nur auf Zeichnungsgewinne spekulieren und die Aktie am Montag gleich wieder verkaufen?

Das denke ich nicht. Die Leute wollen eine Aktie haben, die sich langfristig gut entwickelt. Man konnte in jüngster Zeit sehen, dass diese Spekulationen am ersten Tag nicht funktionieren. Ich glaube, dass man langfristig in Aktien investieren muss. Kurzfristige Investitionen muss der Anleger ja versteuern, das macht doch keinen Sinn.

Im Börsenprospekt wird gewarnt: Sie rechnen mit Verlusten, zahlen in absehbarer Zeit keine Dividende und der Kurs könne heftig nach oben und unten ausschlagen. Sie muten dem Anleger ja einiges zu.

Derlei Warnungen und Haftungsausschlüsse stehen in jedem Prospekt. Das schreiben die Juristen. Im Verkaufsprospekt der T-Aktie standen soviele Warnungen, dass man sich eigentlich wundern müsste, dass es die Deutsche Telekom noch gibt.

Mit den genannten Risiken muss der Anleger aber trotzdem rechnen.

1999 war das Ergebnis aufgrund von Abschreibungen unterm Strich negativ. Aber was in dem Geschäft wirklich zählt, ist, dass wir in den vergangenen vier Jahren operative Gewinne in einem stark umkämpften Markt erwirtschaftet haben. Von diesen Gewinnen werden die Dividenden bezahlt.

Wem fließt das Geld aus dem Börsengang zu?

Der T-Online International AG. Das ist eine Kapitalerhöhung, doch das wurde oftmals missverstanden.

Wofür wollen sie das Geld einsetzen?

Für Akquisitionen und die Erweiterung des Geschäfts. Wir müssen sicher im Bereich E-Commerce noch einiges tun. Gezeigt haben wir das bereits mit unserem Einstieg bei Comdirect und unserer Beteiligung am Internetbuchhändler Booxtra. Wir haben noch viele gute Ideen, aber konkretes gibt es noch nicht zu sagen, sonst müsste es ja im Prospekt stehen.

Sie wollen international expandieren, wohin?

In Österreich und Frankreich sind wir schon vertreten. Unser Hauptziel ist die Expansion nach Westeuropa - aber auch hier gibt es noch keine konkreten Projekte. Osteuropa darf man ebenfalls nicht vernachlässigen, aber aus ökonomischer Sicht ist Westeuropa sicher am interessantesten. Wir werden auch Möglichkeiten in Übersee prüfen, wenn sich etwas Interessantes anbietet.

Die Telekom hält weiterhin die Mehrheit der Aktien. Wo fallen die Entscheidungen, in Darmstadt oder in Bonn?

Das ist ganz einfach. Der Vorstand der T-Online führt das operative Geschäft selbstständig, kontrolliert durch den Aufsichtsrat. Die Gesellschafterversammlung ist das einzige Gremium, in dem der Aktionär - und damit auch die Deutsche Telekom - das Sagen hat. Das sind nach dem Aktiengesetz klar festgelegte Rechte und Pflichten. Natürlich werden wir uns mit dem Mehrheitsaktionär unterhalten und abstimmen, was auch für alle anderen großen Investoren gilt.

Womit verdienen Sie Ihr Geld?

Den meisten Umsatz machen wie momentan mit den Erlösen aus der Grundgebühr, aus den Minutengebühren und dann in steigendem Maße mit Einnahmen aus der Werbung und dem Shopping-Portal.

Im hart umkämpften Markt sinken die Zugangsgebühren und die Minutenpreise. Werden Sie dann weniger verdienen?

Das ist eine Frage von Einstand und Kosten. Mit einer guten Kostenstruktur kann man auch in diesem Bereich Gewinne erwirtschaften. Bei Werbung und E-Commerce erzielen wir eine höhere Marge, dafür sind die Umsätze noch nicht so groß.

Ihr Konkurrent AOL hat Time Warner übernommen, um sich die Medienangebote des Unternehmens exklusiv zu sichern. Ist so eine Akquisition auch für T-Online denkbar?

Wir haben nicht vor, ein Medienunternehmen zu übernehmen. Es ist viel besser, eine neutrale Plattform zu haben, auf der alle Medienanbieter Platz finden, wenn sie wollen. Das hat uns in Deutschland groß und stark gemacht. Seit AOL und Time Warner ihre Fusion angekündigt haben, ist das Interesse aus der Medienwelt an einer Kooperation mit T-Online sprunghaft gestiegen.

Sie halten Anteile an Internetfirmen wie Booxtra, Infoseek und Atrada und planen weitere Beteiligungen. Wird aus T-Online eine Beteiligungsgesellschaft?

Wir haben zwei Kerngeschäfte. Eines ist das Zugangsgeschäft, das andere das Portalgeschäft. Die Beteiligungen die wir eingegangen sind, dienen dazu, das Portalgeschäft zu unterstützen. Wir bringen damit viele Kunden zum Beispiel zu Booxtra. An der Wertschöpfung, die wir dort generieren, wollen wir natürlich beteiligt sein. Das können wir entweder durch Provisionen oder eben durch die Anteile, die wir an dem Unternehmen halten.

Wieviel Umsatz werden Sie in diesem Jahr machen, wieviele Kunden werden Sie Ende 2000 haben?

Prognosen über unsere Zukunft geben momentan die Analysten ab, deren Beruf es ist, solche Prognosen zu erstellen. Ich äußere mich zu diesen Themen nicht. Ich kann nur sagen, dass wir zurzeit monatlich über 200 000 Kunden hinzugewinnen.

In Internet-Firmen arbeiten meist junge Leute. Wie hoch ist das Durchschnittsalter der T-Online-Mitarbeiter?

Mit meinen 42 Jahren gehöre ich nicht zu den Jüngsten. Das Durchschnittsalter bei T-Online liegt bei 33 Jahren.

Wie lange können Sie den Job noch machen?

Ich nehme mir ein Beispiel an Eric Danke. Er gehört ebenfalls dem T-Online-Vorstand an und macht auch mit 60 noch einen super Job. Das Gespräch führte Corinna Visser.

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