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Wirecard-Prozess: Verteidiger werfen Landgericht München mangelnde Aufklärung vor
Die Verteidiger des Ex-Wirecard-Chefs haben nun hunderte Beweisanträge vorgelegt. Darin gebe es keinen einzigen Hinweis darauf, dass Markus Braun von dem Milliardenbetrug gewusst hätte.
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Die Verteidiger des früheren Wirecard-Chefs Markus Braun wollen den Prozess um den Milliardenbetrug bei dem einstigen Dax-Konzern in eine neue Richtung lenken: Die Anwälte legten der Münchner Strafkammer am Donnerstag mehrere hundert Beweisanträge vor. Diese sollen belegen, dass der seit Sommer 2020 untergetauchte Ex-Vertriebsvorstand Jan Marsalek der Drahtzieher war, Braun jedoch weder Komplize noch Mitwisser.
Marsalek und seine Bande sollen den Konzern demnach über ein Firmengeflecht ausgeplündert und Erlöse in immenser Höhe veruntreut haben, die eigentlich dem Konzern zugestanden hätten.
Am Donnerstag berief sich Verteidiger Alfred Dierlamm auf hunderttausende E-Mails. „Aus der Auswertung der E-Mail-Accounts ergibt sich kein einziger Hinweis, dass Herr Dr. Braun in die beschriebenen Machenschaften der Bande irgendwie eingebunden war oder davon gewusst haben könnte.“ Nach Darstellung des Rechtsanwalts gebe es auch keine anderweitigen Hinweise auf Absprachen der Bande mit Braun.
Brauns Verteidigung stichelt gegen Landgericht München
Der Anwalt wolle „durch formale Beweisanträge auf eine Aufklärung des tatrelevanten Sachverhalts“ hinwirken, „da dies bislang nicht von Amts wegen geschieht“, heißt es in einer Erklärung, die Dierlamm nach eigenen Angaben in der Gerichtsverhandlung verlas. Damit warf Dierlamm dem Gericht indirekt vor, seine gesetzliche Pflicht zur selbständigen Aufklärung des Falls zu vernachlässigen. Auch der Staatsanwaltschaft hatte er bereits schwere Ermittlungsfehler vorgeworfen.
Wirecard war im Juni 2020 zusammengebrochen, als aufflog, dass auf Treuhandkonten in Asien 1,9 Milliarden Euro fehlten. Die Pleite ist einer der größten Finanzskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte. Braun und zwei weitere frühere Wirecard-Manager wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs angeklagt.
Die Ankläger sehen Braun als einen der Haupttäter, laut Anklage soll die Bande seit 2015 die Wirecard-Bilanzen gefälscht und kreditgebende Banken um 3,1 Milliarden Euro geschädigt haben. Die drei Manager sollen die Milliardensumme erfunden haben, um den unprofitablen Konzern schönzurechnen.
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende und seine Verteidiger hingegen haben wiederholt erklärt, dass das Geld existiert habe und hinter seinem Rücken beiseitegeschafft worden sei. Braun sitzt seit drei Jahren in Untersuchungshaft. Der Strafprozess läuft seit Anfang Dezember, die Kammer hat bislang gut die Hälfte der zunächst angesetzten 100 Prozesstage verhandelt. (dpa/Reuters)
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