
© Smalyukh Research Group
Besser als Glas: Neues Material ist durchsichtig, aber dämmt wie eine Wand
Gebäude verlieren oft am meisten Wärme durch ihre Fenster. Ein neues Material könnte das ändern. Es ist lichtdurchlässiger als Glas – und bietet sich für vielfältige Einsatzgebiete an.
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Das Material ist lichtdurchlässiger als Glas und isoliert so gut wie eine feste Wand. Auf Fensterscheiben aufgebracht, könnte es dabei helfen, den Wärmeaustausch durch Fenster stark zu reduzieren und den Energiebedarf von Häusern zu verringern. Denn das Heizen oder Kühlen von Gebäuden macht rund 40 Prozent des weltweiten Energiebedarfs aus, wie das US-amerikanische Team um Amit Bhardwaj von der University of Colorado in Boulder in der Fachzeitschrift „Science“ berichtet.
Obwohl Fenster durchschnittlich nur 8 Prozent der Fläche einer Gebäudehülle ausmachen, seien sie für etwa 50 Prozent der Wärmeübertragung verantwortlich, schreiben die Studienautoren. Zwei- und dreifach verglaste Fenster haben den Wärmeaustausch bereits verringert. Auch Aerogelfilme auf Zellulosebasis zeigen gute Isolationseigenschaften - jedoch sinkt die Transparenz, wenn sie mehr als ein paar Millimeter dick sind. Das hat damit zu tun, dass die Porengröße bei der Herstellung der Aerogele schlecht kontrolliert werden kann: Sie liegt im Bereich von Nanometern (Millionstel Millimetern) bis Mikrometern (Tausendstel Millimetern).
Anwendungsgebiete sind Gewächshausabdeckungen, Schutz- und Wärmedämmkleidung sowie die Weltraumforschung – überall dort, wo gleichzeitig optische Transparenz und Wärmedämmung erforderlich sind.
Amit Bhardwaj, University of Colorado, Boulder
Bhardwaj und Kollegen suchten nun nach einem Prozess, der Porengrößen in einem bestimmten Bereich, zwischen 2 und 50 Nanometern, ermöglicht. Solche Poren sind damit zum einen kleiner als die Wellenlängen des sichtbaren Lichts, das so nur minimal reflektiert oder absorbiert wird. Zum anderen sorgt diese geringe Größe dafür, dass die Moleküle kaum Wärme weitergeben. Die Porenwand wiederum besteht aus Silikon, das Wärme ebenfalls schlecht leitet.
Mochi-Material: sehr leicht und enorm transparent
Um die Porengröße zu kontrollieren, verwenden die Forscher Tenside, ähnlich wie die waschaktiven Substanzen in Waschmitteln. In einer Lösung bilden die Tenside sich selbst organisierende zylinderförmige Aggregate, die die Silikonröhrchen strukturieren. Später werden in einem Trocknungsprozess Tenside und Lösungsmittel durch Luft ersetzt. Das fertige Produkt nennen die Forscher Mochi (Mesoporous Optically Clear Heat Insulator – mesoporöser, optisch klarer Wärmedämmstoff).
Dieses Material ist sehr leicht und besitzt eine optische Transparenz von mehr als 99 Prozent. Zum Vergleich: Bei Glas sind es unter 92 Prozent. Die Wärmeleitfähigkeit beträgt nur 10 Milliwatt pro Grad Temperaturdifferenz und Meter, während es bei unbewegter Luft - eingesetzt etwa in Daunenjacken oder zwischen den Scheiben bei Doppelglasfenstern - etwa 27 Milliwatt sind.
Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Wegen des Trocknungsprozesses sind Mochi-Folien derzeit noch auf eine Fläche von einem Quadratmeter beschränkt. Aber die guten optischen Eigenschaften des Materials lassen auch dickere und größere Mochi-Elemente zu. Nach Auffassung der Forscher könnte Mochi die Einsatzmöglichkeiten von Isolierglas in künftigen Gebäudehüllen erweitern, etwa für Fenster, Oberlichter und Tageslichtsysteme. „Weitere Anwendungsgebiete sind Gewächshausabdeckungen, Schutz- und Wärmedämmkleidung sowie die Weltraumforschung, überall dort, wo gleichzeitig optische Transparenz und Wärmedämmung erforderlich sind“, schreiben die Studienautoren.
In einem „Science“-Kommentar bestätigen Longnan Li und Wei Li von der Chinese Academy of Sciences in Changchun, dass das Potenzial des Silikon-Metamaterials aus energetischer und ökonomischer Sicht erheblich sei. So könnten optisch transparente Flächen bis hin zu Textilien in energieeffiziente Oberflächen verwandelt und der Energiebedarf deutlich gesenkt werden. (dpa)
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