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Linsen und Locken: Christiaan Huygens-Ausstellung im Rijksmuseum Boerhaave, Leiden.

© Rijksmuseum Boerhaave, Leiden

Brillenrezept nach über 300 Jahren: Der kurzsichtige Weitblick des Top-Astronomen 

Cristiaan Huygens war ein Forschungs-Superstar. Er war auch der Meinung, die besten Teleskope zu bauen. Ein Potsdamer Forscher findet jetzt überraschende Gründe, warum ihm dies nicht gelang.

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Der Mann, der weiter schauen konnte als alle seine Zeitgenossen, war kurzsichtig. Das zumindest ist das Ergebnis einer neuen Studie. Für diese hat Alex Pietrow vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam die von Christiaan Huygens überlieferten Gleichungen, die Grundlage für dessen Teleskope waren, analysiert.

Optimale Objektive, die aber nicht objektiv optimal waren

Dem Universalgelehrten Huygens (1629 bis 1695) gelang mit seinen Fernrohr-Eigenbauten nicht nur etwa die Entdeckung des Saturnmonds Titan. Er erfand auch unter anderem die Pendeluhr, begründete die Wellentheorie des Lichts, berechnete die Lichtgeschwindigkeit und leistete verschiedene wichtige Beiträge in der Mathematik.

Christiaan Huygens, Porträt von Bernard Vaillant, die moderne Brille wurde ihm nachträglich digital aufgesetzt, getragen hat er wohl selbst keine.

© Wikipedia / A. Pietrow

Zudem gilt er als Begründer der Theoretischen Physik an sich und als einer der wichtigsten Protagonisten der so genannten „Wissenschaftlichen Revolution“ überhaupt.

Seine Fernrohre konstruierte der Niederländer natürlich mit viel Theorie-Wissen. Aber was den Feinschliff angeht– um den geht es ja im Wortsinne bei solchen Linsen – arbeitete er soweit bekannt auch nach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip. Unter anderem die aus seiner Sicht optimalen Relationen von Fokuspunkt und Linsendurchmesser dokumentierte er in Tabellen, Die wertete Pietrow jetzt aus und verglich deren Angaben mit modernen, objektiv ermittelten Werten.

Der Denker und die Dioptrien

Als Huygens letztlich das für ihn optimale Teleskop gebastelt hatte, begann er auch, aus seiner Sicht „optimierte“ solche Geräte zu verkaufen. Allerdings bekam nur der Käufer ein wirklich scharfes Bild zu sehen, der auch etwa minus 1,5 Dioptrien hatte.

Christiaan Huygens beim In-die-Ferne-Gucken.. Illustration aus “Astroscopia Compendiaria, 1684.

© Wikipedia

Das ist das Maß der Kurzsichtigkeit, die Pietrow für die Augen des Erbauers der Fernrohre posthum diagnostiziert.

Plausibel ist die These auch deshalb, weil Huygens Kurzsichtigkeit in diesem Ausmaß den Gelehrten im täglichen Leben nicht außerordentlich gestört haben dürfte, er also nicht unbedingt Brille oder Monokel brauchte deswegen. Die Studie ist in den „Notes and Records“ der Royal Society for the History of Science erschienen. (rif)

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