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Modellierungen zeigten, dass eine jährliche Verringerung des Feinstaubausstoßes im Verkehr um zehn Prozent 175 vorzeitige Tode pro Million Menschen durch Feinstaub verhindern würde.

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Chancen für die Zukunft: Bereits mäßige Feinstaubreduktion könnte Millionen Leben retten

Feinstaubbelastung gilt als die weltweit größte umweltbedingte Gesundheitsgefahr. Eine Minderung der Luftverschmutzung um nur zehn Prozent zahlt sich aus.

Von Stefan Parsch, dpa

Schon eine jährliche Verringerung der Feinstaubbelastung um zehn Prozent könnte viele Menschenleben retten. Zu diesem Schluss kommen Forschende nach einer Untersuchung in Kanada. Selbst bei der relativ sauberen Luft dieses Landes würden in einem Zehn-Jahres-Zeitraum 710 Menschen pro eine Million Einwohner weniger sterben, wenn die fünf größten Luftverschmutzer ihren Feinstaubausstoß um jährlich zehn Prozent reduzieren würden. Die Studie hat das Team um Hong Chen von Health Canada in Ottawa (Kanada) im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht.

„Feinstaub in der Umgebungsluft ist die weltweit größte umweltbedingte Gesundheitsgefahr und weltweit für schätzungsweise 4,1 Millionen vorzeitige Todesfälle im Jahr 2019 verantwortlich“, schreiben die Forscher. Allein im Jahr 2020 starben nach aktuellen Angaben der EU-Umweltagentur EEA rund 240.000 Menschen vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung.

4,1
Millionen vorzeitiger Todesfälle wegen dreckiger Luft

Schadstoffe in der Luft seien trotz zuletzt verbesserter Luftqualität in den EU-Staaten nach wie vor die größte von der Umwelt ausgehende Gesundheitsgefahr, hatte die EEA mitgeteilt. Sie seien einer der Hauptgründe für frühzeitige Todesfälle und Erkrankungen. Herzkrankheiten und Schlaganfälle seien die am häufigsten darauf zurückgehenden Todesursachen, gefolgt von Lungenkrebs und anderen Lungenkrankheiten. 

Teilchen können bis in die Lungenbläschen gelangen

Bisher haben Studien in der Regel ermittelt, wie viele vorzeitige Tode oder Lebensjahre durch einen sofortigen Stopp aller menschengemachten Feinstaubemissionen gerettet würden, schreibt das Team um Chen. Die Forschenden wollten nun jedoch wissen, was eine Herangehensweise bringen würde, die auch Chancen auf Umsetzung in der Lebenswirklichkeit hat.

Sie nutzten für ihre Studie Volkszählungsdaten der Regierung. Diese umfassten eine Kohorte von 2,66 Millionen Erwachsenen in ganz Kanada im Zeitraum zwischen 2007 und 2016. Zudem nutzten die Forschenden hochauflösende Satellitendaten zu den Emissionen und Modellierungen des Chemikalientransports. Sie berücksichtigten Feinstaubteilchen mit einem Durchmesser unter 2,5 Mikrometern (PM2,5). Diese besonders winzigen Teilchen können unter anderem bis in die Lungenbläschen gelangen und das Organ nachhaltig schädigen.

Aus den Werten errechneten sie für jede Person nach ihrem Wohnort die individuelle Feinstaubbelastung. Im landesweiten Durchschnitt ergaben sich 7,1 Mikrogramm (millionstel Gramm) pro Kubikmeter Luft. Zum Vergleich: 2018 lag die Feinstaubbelastung in Los Angeles (Kalifornien, USA) bei 11,4 Mikrogramm, in Rom (Italien) bei 14,1 Mikrogramm und in Peking (China) bei 50,6 Mikrogramm pro Kubikmeter.

Eine Feinstaubreduzierung um jährlich 25 Prozent würde noch einmal 80 Prozent mehr dieser vorzeitigen Tode verhindern.
Eine Feinstaubreduzierung um jährlich 25 Prozent würde noch einmal 80 Prozent mehr dieser vorzeitigen Tode verhindern.

© Federico Gambarini/dpa

Das Team um Chen wertete die Daten nach den fünf größten Feinstaubemittenten in Kanada aus: Verkehr (14,3 Prozent des Gesamtausstoßes), Industrie und Verbrennung in Haushalten (jeweils 13,4 Prozent), Landwirtschaft (9,5 Prozent) und Energieerzeugung (7,3 Prozent). Die Modellierungen zeigten, dass allein eine jährliche Verringerung des Feinstaubausstoßes im Verkehr um zehn Prozent 175 vorzeitige Tode pro Million Menschen durch Feinstaub verhindern würde. Dasselbe Vorgehen bei der Energieerzeugung würde immerhin 90 Leben pro Million retten. Eine Feinstaubreduzierung um jährlich 25 Prozent würde noch einmal 80 Prozent mehr dieser vorzeitigen Tode verhindern.

Männer, Menschen über 50 Jahre und Geringverdiener profitieren nach Forscherangaben überproportional von der Verringerung der Feinstaub-Belastung. Bei Über-50-Jährigen war die Schutzwirkung zehnmal so groß wie bei Unter-50-Jährigen. Die Forscher errechneten auch, welchen wirtschaftlichen Nutzen eine Verringerung des Feinstaubausstoßes der fünf größten Emittenten hätte: Bei zehn Prozent Minderung wären es demnach 4,6 Milliarden kanadische Dollar pro eine Million Einwohner, bei 25 Prozent 8,2 Milliarden.

Auch wenn die gefundenen Zahlen sich auf Kanada beziehen, zeigen sie den Forschern zufolge dennoch, welches Gesundheitspotenzial in der Reduzierung von Feinstaub steckt: „Angesichts der Tatsache, dass die PM2,5-Werte in Kanada zu den niedrigsten weltweit gehören, können diese Ergebnisse wichtige Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit weltweit haben“, schreiben Chen und Kollegen.

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