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Abgestorbene Fichten im Oberharz

© dpa/Julian Stratenschulte/Bearbeitung Tagesspiegel

Der Klimawandel schreitet voran: Was wird aus dem deutschen Wald?

Das Waldsterben geht nicht nur durch menschliche Eingriffe weiter. Auch die höheren Temperaturen tragen dazu bei. Welche Folgen haben sie? Drei Experten geben Antwort.

Von
  • Henrik Hartmann
  • Christoph Leuschner
  • Uta Berger

Allen Anstrengungen zum Trotz: Das Waldsterben geht weiter, zum einen verursacht durch die Zivilisation, durch die Versiegelung von Böden etwa, durch Verkehr und industrielle Prozesse, die Wälder dezimieren, den Waldboden trockener machen. Durch massiven Eintrag von Pestiziden oder Düngemitteln sowie durch Abholzung verliert er wertvolle Bestandteile.

Dazu kommt der Klimawandel. In den trockenen Jahren von 2018 bis 2021 sind in Deutschland laut dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) rund 400.000 Hektar Fichtenwald abgestorben. Peter Hartmann spricht vom „Waldsterben 2.0“. Im regenreichen Sommer 2023 konnten sich Waldböden in Süddeutschland zwar regenerieren, am Klimawandel ändert das jedoch nichts.

Wie wird es also weiter gehen mit dem deutschen Wald? Lässt sich das Sterben stoppen, wie können die Wälder wieder gesünder werden? Das haben wir in unserer Reihe „3 auf 1“ drei Experten gefragt.

Alle Folgen der Serie „3 auf 1“ finden Sie hier.


Es erscheint als Verlust, was eigentlich ein Neusortieren ist

Den deutschen Wald wird es weiterhin geben, aber er wird sich verändern. Wie genau, kann im Moment niemand sagen. Bäume und Wälder haben in den 400 Millionen Jahren ihrer Existenz viele schwierige Perioden durchstanden, Meteoriteneinschläge mit jahrelangen Dunkelphasen, Eis- und Heißzeiten und jetzt sind sie durch den modernen Menschen bedroht.

Um zu bestehen, muss der Wald einen Umbruch durchlaufen. Bisher heimische Baumarten werden an dem zukünftigen Klima scheitern, für fremde Arten kann dies zur Chance werden.

Dem Wald ist das alles egal, er macht einfach weiter.

Henrik Hartmann

Aber: Bäume sterben schnell, wandern langsam. Daher erscheint als Verlust, was eigentlich ein Neusortieren ist. Dominante Baumarten werden in Zukunft seltener, der Wald wird lichter, niedriger und jünger werden, da Stürme, Schädlinge und Waldbrände sie öfters zum Neustart zwingen.

Wir Menschen müssen nun von Bekanntem und Liebgewonnenem Abschied nehmen, und mutig in die Zukunft schauen, um sie zu gestalten. Dem Wald ist das alles egal, er macht einfach weiter – ohne Sorge oder Hast. Einfach großartig!


Geschlossene Wälder zu erhalten, ist wichtiger als maximale Holzerträge

Eine wahrscheinliche Erwärmung um 2,5 Grad bis zum Jahr 2100 wird den Wald schwer belasten und die Bäume vor allem durch Dürre und Hitze stressen.

Das ist insbesondere im Tiefland der Fall, während sich die Erwärmung im höheren Bergland positiv auf das Baumwachstum auswirken dürfte. Betroffen sind alle wichtigen Wirtschaftsbaumarten, hauptsächlich die Fichte, in geringerem Maße auch Buche, Kiefer und Douglasie. Am besten mit dem Klimawandel zurechtkommen die Eichen sowie heimische Laubbaumarten wie Spitzahorn, Winterlinde, Hainbuche und Elsbeere.

Stresstolerante heimische Laubbäume sind besser geeignet als Nadelbäume. 

Christoph Leuschner

Die Forstwirtschaft sollte risikoarme Strategien verfolgen, in denen die Erhaltung geschlossener Wälder aus stresstoleranten Baumarten wichtiger ist als maximale Holzerträge.

Stresstolerante heimische Laubbäume sind besser geeignet als Nadelbäume. Der heimische Holzmarkt muss sich rasch an eine weitgehende Substitution von Nadel- durch Laubholz anpassen. Mischwälder haben Vorteile, sind aber noch keine Versicherung gegen den Klimawandel.


Gelingt es uns nicht, den Wald zu gestalten, wird er sich selbst gestalten

Wie der zukünftige Wald aussieht, ist schwer vorherzusagen, denn das hängt nicht nur von der Anpassungsfähigkeit vorhandener und neuer Baumarten an sich schneller verändernde Bedingungen ab, sondern auch von ihrer Resistenz gegen häufiger auftretenden Extremereignissen wie Trockenstress, Stürme oder Kalamitäten.

Wie der zukünftige Wald aussieht, ist schwer vorherzusagen, denn das hängt auch ab von der Resistenz vorhandener und neuer Baumarten gegen häufiger auftretenden Extremereignisse wie Trockenstress, Stürme oder Kalamitäten.

Uta Berger

Das Zusammenwirken dieser Faktoren erschwert das Management, das sich nicht nur an der Holzproduktion, sondern auch an anderen Dienstleistungen wie etwa der Wasserspeicherung und dem Erhalt der Artenvielfalt orientieren muss.

Die Planungszeiträume werden kürzer und der Erfolg hängt von einem Verständnis der ablaufenden Prozesse in ihrer gesamten Komplexität und damit von der Zusammenarbeit von Forstpraktikern mit Wissenschaftlern vieler Disziplinen wie Fernerkundung und Modellierung ab.

Gelingt das nicht, wird der Wald sich selbst gestalten und wir werden mit dem auskommen müssen, was er uns bietet. Das könnte für uns, aber nicht notwendigerweise für den Wald schwierig werden.

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