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Eine Familie begutachtet die Schäden, nachdem Hurrikan „Milton“ ihr Haus in Martin County in Florida zerstört hat.

© IMAGO/Imagn Images/Crystal Vander Weit

Dürren, Fluten, Tornados : Muss die Menschheit den Klimawandel mit Geoengineering bekämpfen?

Umweltkatastrophen treten immer häufiger und intensiver auf. Helfen dagegen nur noch technische Eingriffe in das Klimasystem?

Von
  • Daniel Heyen
  • Gernot Wagner
  • Rafaela Hillerbrand

Stand:

Wie wäre es damit, die Erde abzukühlen? Eine Idee, um gegen den Klimawandel vorzugehen, ist es tatsächlich, die Erde kühler zu machen.

Geoengineering ist eine Technik, mit der man versucht, die Erde abzukühlen. Dafür gibt es zwei zentrale Ideen: Entweder entfernt man CO₂ aus der Luft – das sogenannte Carbon Dioxid Removal (CDR) – oder man reflektiert mehr Sonnenstrahlen zurück ins Weltall – mit Solar Radiation Modification (SRM).

Geoengineering kann aber unvorhersehbare Konsequenzen haben, weil es das Klima auf der Erde in großem Maßstab beeinflussen würde. So könnte es passieren, dass eine Maßnahme zwar global hilft, einige Länder aber negativ beeinflusst – und andere nur profitieren.

Außerdem ist Geoengineering ein weiterer Eingriff in das Gleichgewicht der Ökosysteme: Was, wenn unter dem Düngen von Ozeanen letztlich Tier- und Pflanzenarten leiden oder sogar aussterben, wenn ihre Lebensräume stark verändert werden?

Deshalb muss gut überlegt werden, wie Methoden wie CDR oder SRM angewandt werden können. Die American Geophysical Union (AGU) hat jetzt einen Handlungsrahmen für Forschende, Geldgebende und Politik vorgestellt. Dieser soll sicherstellen, dass die Forschung zu Geoengineering ethisch und verantwortungsvoll abläuft.

Welche Chancen SRM und CDR bieten und wie der Handlungsrahmen zu bewerten ist, ordnen drei Experten und Expertinnen ein. Alle Folgen unserer Serie „3 auf 1“ finden Sie hier.


Riskanter Eingriff in ein komplexes System

Grob lässt sich festhalten, dass die CDR-Maßnahmen im Vergleich zu SRM in der Regel mit mehreren Jahrzehnten bis zu den geforderten Effekten deutlich langwieriger sind und viel mehr Kooperation und Koordination zwischen Handelnden und Entscheidenden erfordert: auf der globalen, nationalen, regionalen, politischen und regulatorischen Ebene, sowie mit der Privatwirtschaft.

Die Chancen beider Technologien bestehen darin, den Klimawandel zu verlangsamen oder sogar zu stoppen beziehungsweise umzukehren. Risiken sind vielfältig – es wird sehr direkt in ein komplexes System eingegriffen, das aufgrund der Komplexität nicht komplett vorhersagbar ist: Egal, wie gut unser (zukünftiges) Wissen über das Klimasystem ist, es werden immer Unsicherheiten bleiben.

Das Framework der AGU ist überaus begrüßenswert, weil es dazu in der Lage ist, die Bewertung in einem vor allem aus starken und polarisierten Meinungen bestehenden Diskurs zu rationalisieren. Jedoch gibt es einige Aspekte, die mehr Berücksichtigung verdient hätten, wie die Option, dass Forschung aus ethischen Gründen nicht gemacht wird.


Es droht vor allem eine moralische Gefahr

Das größte Risiko von Geoengineering – sowohl von SRM und vor allem von CDR – ist die moralische Gefahr: die Tatsache, dass selbst ein einfaches Gespräch über Geoengineering bedeutet, dass wir nicht über Solaranlagen, Wärmepumpen, Elektroautos oder grünen Stahl sprechen.

Es gibt vor allem bei SRM auch physikalische Risiken. Die scheinen relativ überschaubar zu sein, aber um das wirklich so sagen zu können, bedarf es mehr Forschung. Die moralische Gefahr selbst bedeutet auch nicht, dass wir nicht an Geoengineering forschen sollten. Aber ein jeder Satz über Geoengineering sollte mit den Worten beginnen, dass Geoengineering eben kein Ersatz für CO₂-Reduzierung ist.

In manchen Aspekten ist Geoengineering ohnegleichen. In vielen anderen Aspekten ist Geoengineering aber tatsächlich vergleichbar mit anderen Feldern der Klima- und Energieforschung. Vor allem CDR ist derzeit in vielerlei Hinsicht einfach „nur“ noch teure Mitigation.

Das gilt etwa auch für die moralische Gefahr, die davon ausgeht. Das bedeutet auch, dass CDR und SRM nicht gleich behandelt werden sollten, doch genau das tut das Framework der AGU und normalisiert dadurch SRM vielleicht etwas zu stark.


Es bedarf weiterer Forschung

Geoengineering, insbesondere Methoden von SRM, ist bislang wenig erforscht. Die Forschung bietet die Chance, als Weltgemeinschaft ein besseres Verständnis der potenziellen Auswirkungen einer Anwendung zu erlangen. Allerdings birgt die Forschung auch Risiken: Positive Ergebnisse könnten den Druck mindern, weniger Emissionen auszustoßen.

Die Anwendung von Geoengineering hat eigene Chancen und Risiken, die gerade weiterer Forschung bedürfen. CDR-Maßnahmen bergen Risiken wie Landnutzungskonflikte. Sie bieten aber die Möglichkeit, Treibhausgas-Emissionen zu kompensieren und langfristig negative Emissionen zu erreichen.

SRM-Methoden können Niederschlagsmuster beeinflussen, ermöglichen jedoch eine vorübergehende Abmilderung der Klimawandelfolgen und könnten das Überschreiten von Kipppunkten verhindern. Beide Ansätze müssen sorgfältig abgewägt werden, um ihre Potenziale, aber auch ihre Gefahren genauer einschätzen zu können. Ich bewerte das ethische Framework der AGU insgesamt positiv.

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