
© Alberto Naveira Garabato
„Eine gefährliche Rückkopplung“: Südpolarmeer verliert unerwartet viel Eis
Salziger, wärmer und weniger Eis: Im Südpolarmeer macht sich eine dramatische Wende bemerkbar, was auch Folgen für das Weltklima haben könnte.
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Der Südliche Ozean wird seit einigen Jahren salziger, wärmer und verliert schnell Eis. Das berichtet ein Forschungsteam in einem gerade erschienenen Artikel im Fachjournal „PNAS“.
Zuvor war das Oberflächenwasser im Südpolarmeer jahrzehntelang weniger salzig, in der Folge konnte das Meereis wachsen. Dieser Trend habe sich südlich des 50. Breitengrads seit 2015 abrupt umgekehrt, schreibt das Team um Alessandro Silvano von der University of Southampton nach der Auswertung von Satellitendaten.
Ein plötzlicher Anstieg des Salzgehalts fiel demnach mit einem dramatischen Rückgang des Meereises um die Antarktis und dem mehrfachen Wiederauftauchen der sogenannten Maud-Rise-Polynya zusammen. Das ist ein riesiges, eisfreies Gebiet im Weddellmeer, das etwa die Größe Bayerns erreichen kann und das seit den 1970er-Jahren nicht mehr aufgetreten war.
Wenn dieser salzige, eisarme Zustand anhält, könnte er das Südpolarmeer – und damit den Planeten – dauerhaft umgestalten.
Alessandro Silvano von der University of Southampton
„Durch salzhaltigeres Oberflächenwasser kann die Wärme in den Tiefen des Ozeans leichter aufsteigen und das Meereis von unten schmelzen“, erklärt Silvano. „Dies ist eine gefährliche Rückkopplungsschleife.“ Weniger Eis führe zu mehr Wärme, die wiederum zu noch weniger Eis führe. Die Rückkehr der Maud-Rise-Polynya zeige, wie ungewöhnlich die derzeitigen Bedingungen sind.
Im Südpolarmeer überlagert kaltes, frisches Oberflächenwasser wärmeres, salzigeres Wasser aus der Tiefe, wie es in der Studie heißt. Im Winter, wenn die Oberfläche abkühlt und sich Meereis bildet, schwächt sich der Dichteunterschied zwischen den Schichten ab, die sich daraufhin stärker mischen. Wärme wird nach oben transportiert, wodurch das Meereis von unten schmilzt.
Seit Anfang der 1980er-Jahre war der Salzgehalt des Oberflächenwassers des Südlichen Ozeans gesunken, die Schichtung hatte zugenommen, wodurch die Wärme im Inneren des Ozeans zurückgehalten wurde und sich die Meereisbedeckung verstärkte, wie die Forschenden erläutern. Satellitendaten zeigten nun zusammen mit Messungen von Robotern, die in der Wassersäule auf und ab wandern, dass sich dieser Trend umgekehrt hat.
Langfristige Beobachtung nötig
„Wenn dieser salzige, eisarme Zustand anhält, könnte er das Südpolarmeer – und damit den Planeten – dauerhaft umgestalten“, sagt Silvano. Bisher gingen Klimaforscher davon aus, dass die antarktische Meereisbedeckung im Zuge des Klimawandels zumindest vorerst weitgehend stabil bleibt oder sogar leicht zunimmt.
„Stattdessen kam es zu einem raschen Rückgang des Meereises – einem wichtigen Reflektor der Sonneneinstrahlung –, was die globale Erwärmung möglicherweise beschleunigt“, sagte Mitautor Aditya Narayanan von der University of Southampton.
Die der Trendumkehr zugrunde liegenden Mechanismen seien noch zu unklar, um auf die künftige Entwicklung schließen zu können. Kontinuierliche Satellitenbeobachtungen müssten zeigen, ob es die Welt womöglich mit einem dauerhaften Übergang des Südpolarmeers zu reduzierter Meereisbedeckung zu tun bekommt. (dpa)
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