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Forschende blicken mithilfe eines Endoskops in die Kammer, die vermutlich seit rund 4500 Jahren kein Mensch mehr gesehen hat.

© ScanPyramids

Erster Einblick nach 4500 Jahren: Kammer in der Cheops-Pyramide nachgewiesen

Mythen ranken sich um die ägyptischen Pyramiden und ihre Erbauung gibt bis heute Rätsel auf. Jetzt haben Forschende im größten der Monumente etwas Neues gefunden.

Von Sabine Dobel, dpa

Ein internationales Forschungsteam in Ägypten hat in der berühmten Cheops-Pyramide von Gizeh eine neue Kammer entdeckt. Bereits vor Jahren hatten Messungen auf einen verborgenen Hohlraum hingewiesen. Mit einem Endoskop, das durch einen schmalen Spalt zwischen zwei giebelartig angeordneten Steinen geführt wurde, wurde nun die Existenz einer großen Kammer bestätigt, teilte die Technische Universität München (TUM) mit, die mit einem Team an der Entdeckung beteiligt war.

Die Cheops-Pyramide zählt zu den Sieben Weltwundern der Antike. Der Fund sei nicht zuletzt besonders bedeutsam, weil die Pyramide als eines der am besten untersuchten Bauwerke der Welt gelte, erläuterten die TUM-Wissenschaftler. Im Inneren der Kammer seien keine Fußspuren oder ähnliche Hinweise auf menschliche Aktivitäten zu sehen. Daher nimmt die Forschungsgruppe an, dass diesen Raum seit rund 4500 Jahren kein Mensch mehr zu Gesicht bekommen hat.

Die Kammer befindet sich oberhalb des eigentlichen Zugangs an der Nordseite der Pyramide, berichteten die Forschenden jetzt in „Nature Communications“. Der zwischen 17 und 23 Meter über Bodenniveau liegende Korridor überschreite nach ersten Schätzungen sogar die ursprünglich vermutete Größe von mindestens fünf Meter Länge. Laut ägyptischem Antikenministerium soll der Korridor neun Meter lang und etwa zwei Meter breit sein.

Bislang war diese Kammer nur eine auf Messdaten beruhende Vermutung, nun lässt sich ihre Existenz aber bestätigen.

© ScanPyramids

„Einen Hohlraum in einer Pyramide zu entdecken, ist schon etwas Besonderes. Aber dass diese Kammer groß genug ist, um mehrere Menschen aufzunehmen, das macht es noch viel bedeutender“, sagt Christian Große vom Lehrstuhl für Zerstörungsfreie Prüfung an der TUM. Die Münchner sind seit 2019 an dem internationalen Forscherteam „ScanPyramids“ beteiligt, das seit 2015 die ägyptischen Pyramiden mit unterschiedlichen Mitteln und Technologien untersucht.

Ägyptologen bewerten den Fund als außergewöhnlich. „Es ist spektakulär, denn die Kammer ist wirklich groß“, sagte der Ägyptologe Alexander Schütze von der Ludwig-Maximilians-Universität, der nicht an den Forschungen beteiligt war. Allerdings ist die Bedeutung der Kammer womöglich nur eine technische. „Es sieht für mich sehr danach aus, dass es sich um eine weitere Entlastungskammer handelt, die den immensen Druck der Steine von der Eingangskonstruktion nehmen sollte“, sagte Schütze. „Der Fund wird auch das Verständnis der Bauweise vorantreiben.“

Der Münchner Ägyptologe Frank Müller-Römer, der sich mit dem Bau der Pyramiden befasst, sieht in dem Fund weiteres Potenzial. Es sei offen, was unter der Entlastungskammer liege und entlastet werden sollte. „Das sollte weiter untersucht werden.“

Über der Königskammer etwa gibt es Räume, auf denen giebelartig angeordnete Steinen ruhen und die nach bisherigen Erkenntnissen auch zur Entlastung dienen. Die Steine über den Gängen und Kammern wiegen Tausende Tonnen.

„Entlastungskammern sind grundsätzlich bekannt“, sagt auch der Bauforscher am Deutschen Archäologischen Institut Kairo, Martin Sählhof. Es erscheine ihm plausibel, wenn am früheren Eingang derartige Hohlräume konstruiert worden seien.

Bis heute gibt es Rätsel auf, wie die alten Ägypter vor rund 4500 Jahren die immensen Pyramiden mit den viele Tonnen schweren Blöcken bauten. Die Messungen des ScanPyramids-Teams sollen auch dazu beitragen, die Baugeschichte der Cheops-Pyramide und den inneren Aufbau besser zu verstehen.

Zerstörungsfreie Entdeckungen

Grundlage für den Fund der versteckten Kammer waren Messungen mit der Myonentomografie gewesen, einem bildgebenden Verfahren zur dreidimensionalen Abbildung großvolumiger Objekte mittels kosmischer Strahlung. Dieses ließ die Existenz eines Hohlraums in der sogenannten Großen Pyramide vermuten, wie die beteiligten Wissenschaftler 2017 in dem Fachmagazin „Nature“ berichteten.

Zur näheren Untersuchung setzte das TUM-Team unter Leitung von Christian Große Methoden wie Radar und Ultraschall ein. „Die Pyramiden gehören zum Weltkulturerbe. Deshalb müssen wir bei der Untersuchung besonders vorsichtig vorgehen, damit keine Beschädigungen entstehen“, sagte Große. Radar- und Ultraschallmessgeräte könnten nicht nur zerstörungsfrei, sondern teilweise sogar kontaktfrei angewendet werden.

Die Myonentomografie hatte Dichteunterschiede im Bauwerk gezeigt, denen die Forscher weiter nachgingen. Sie hatten dann vermutet, dass es sogar zwei unterschiedlich große Hohlräume an verschiedenen Stellen in der Pyramide gibt. Der eine konnte nun bestätigt werden. Der andere Hohlraum im Zentrum der Pyramide könnte noch größer sein. Noch immer birgt die Pyramide Rätsel.

Weitere Forschungsarbeit sei nötig, hieß es bei der TUM. Die genaue Funktion des Kammer- und Schachtsystems im Innern der Pyramide, die rund 140 Meter hoch ist, ist nicht vollständig geklärt.

Spekuliert wurde sogar, ob in einer der Kammern die Mumie des Pharao Cheops liegen könnte. Der Sarkophag in der Königskammer war leer vorgefunden worden. Doch Forscher gehen eher davon aus, dass die Mumie nicht in der Pyramide ist. „Es gibt meines Erachtens keinen Grund, eine Art Versteck zu vermuten, wo man die Überreste beigesetzt hat“, sagte Schütze. Die Pyramide war geplündert worden, wahrscheinlich bereits in der Antike.

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