
© Hans Jürgen Mager
Extremer Schutz vor Kälte: Neue Thermofasern ahmen Eisbärenfell nach
Sweatshirts, die wie dicke Daunenjacken vor Kälte schützen: Nach dem Prinzip des Fells von Eisbären haben Forscher Thermotextilien entwickelt. Mit beeindruckendem Resultat.
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Das Fell von Eisbären als Inspirationsquelle für extrem wärmeisolierende Textilien: Chinesische Forscher haben eine Faser entwickelt, die aufgebaut ist wie das Haar der arktischen Tiere: mit einem porösen Kern und einer Umhüllung. Das poröse Innere schließt viel Luft ein, was den Wärmeverlust minimiert. Die Umhüllung verleiht der Struktur Stabilität.
Die Gruppe um Mingrui Wu von der Zhejiang University in Hangzhou ließ aus diesen Fasern ein Sweatshirt stricken. Die Textilie hielt bei Minus 20 Grad Celsius genauso viel Wärme am Körper wie eine fünfmal so dicke Daunenjacke, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Science“.
Dies könnte die Entwicklung fortschrittlicher Thermotextilien für den persönlichen Gebrauch anstoßen.
Zhizhi Sheng und Xuetong Zhang, Institute of Nano-Tech and Nano-Bionics in Suzhou
Für den luftigen Kern der Faser verwendeten Wu und Kollegen ein sogenanntes Aerogel. Aerogele wurden bereits vor mehr als 90 Jahren entwickelt, sie bilden einen hochporösen Feststoff, der sich gut als Isolationsmaterial eignet. „Leider ist ihre Anwendung in Textilien aufgrund ihrer Zerbrechlichkeit und schlechten Verarbeitbarkeit stark eingeschränkt“, schreiben die Autoren über Aerogele. Dieses Hindernis überwanden sie, indem sie die Aerogelfaser mit einem thermoplastischen Polyurethan, einem sehr dehnbaren Kunststoff, umhüllten.
Feste Strukturen entstehen
Um eine in Längsrichtung ausgerichtete Mikrostruktur zu erhalten, nutzte das Team um Wu die Technik des Gefrierspinnens: Ein flüssiger Aerogelstrang wird langsam durch einen kalten Kupferring geführt, um ein gerichtetes Eiskristallwachstum zu erzeugen. Dadurch entstehen lamellenartige feste Strukturen mit großen Luftzwischenräumen. Nach einer Gefriertrocknung ist die Struktur stabil.
Anschließend durchläuft die Aerogelfaser eine Polyurethanlösung. Je nach Zähflüssigkeit der Lösung gerät die Faserhülle unterschiedlich dick. Versuche ergaben, dass eine 0,08 Millimeter dicke Polyurethanschicht um einen Kern mit einem Durchmesser von 0,6 Millimetern den besten Kompromiss zwischen Isolierung und Stabilität darstellt.
Faser bleibt robust
Dann testeten die Wissenschaftler die Eigenschaften der neuen Faser. Sie dehnten die Faser auf das Zehnfache ihrer Länge, was sie schadlos überstand. Auch 10.000 Zyklen der Dehnung auf die doppelte Länge bewirkten keine Veränderung der Wärmeisolierung. „Diese stabile Wärmedämmleistung führen wir auf die robuste Kapselschicht zurück, die die Unversehrtheit der Faser gewährleistet“, schreiben die Studienautoren.
Waschen und färben möglich
Das änderte sich auch nicht nach dem Waschen. Dies ist ein weiterer Vorteil der neuen Fasern, denn die meisten Aerogele büßen bei der Berührung mit Wasser an Funktionsfähigkeit ein. Außerdem zeigten die Forscher, dass die Fasern auch gefärbt werden können. Dazu mixten sie Farbstoffe in die Aerogellösung. Weil die Hülle durchsichtig ist, sind die Farben des Aerogelkerns zu sehen. Die Umkapselung schützt sowohl die Farbe als auch das Aerogel vor Abrieb.
In einem Kommentar, ebenfalls in „Science“, schreiben Zhizhi Sheng und Xuetong Zhang vom Institute of Nano-Tech and Nano-Bionics in Suzhou (China) über die Forschungsergebnisse: „Dies könnte die Entwicklung fortschrittlicher Thermotextilien für den persönlichen Gebrauch anstoßen.“ Sie merken jedoch an, dass das Faserspinnen derzeit noch zu langsam ist für einen industriellen Prozess.
Beim Nassspinnen wird in derselben Zeit etwa zehnmal so viel Faser produziert. Dennoch stellen sie fest: „Durch die gleichzeitige Weiterentwicklung von Materialien und Herstellung könnten Aerogelfasern viele potenzielle Anwendungen haben.“
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