zum Hauptinhalt
Die Staatsbibliothek in Berlin - ein wichtiger Ort auch für Forschende der Einstein Stiftung.

© imago stock&people

Faire Arbeit in der Wissenschaft: Auch Unis müssen um Fachkräfte kämpfen

Angesichts des demografischen Wandels ist die Debatte um bessere Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft fast aus der Zeit gefallen. Mit unattraktiven Verträgen wird man Fachkräfte kaum halten.

Ein Gastbeitrag von Geraldine Rauch

Derzeit wird im Rahmen der Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) viel um die Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft diskutiert. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung spricht von einem schwierigen Interessensausgleich. Und tatsächlich scheinen die Fronten sehr verhärtet.

Während die einen mangelhafte soziale Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft kritisieren, fürchten die anderen, dass durch mehr Dauerstellen die Universitäten ihrem Auftrag, stetig neue Wissenschaftler*innen auszubilden, nicht mehr nachkommen können. Die Stellen würden im System fehlen. Befristungen begünstigen die Dynamik, Dauerstellen begünstigen die soziale Sicherheit. Wie soll hier ein Kompromiss gefunden werden?

Während sich noch die Vertreter*innen von #IchBinHanna und der Hochschulrektorenkonferenz streiten, steht ein entscheidender Akteur kaum beachtet still im Hintergrund: der demographische Wandel.

Schon jetzt klagen die Universitäten über sinkende Studierendenzahlen. Der Fachkräftemangel ist bereits heute an vielen Stellen spürbar, sei es in der Forschung, in der Industrie oder in der Verwaltung. Es gibt immer weniger gut ausgebildete Arbeitnehmer*innen. Es gibt aber immer größere Lücken beim gesuchten Fachpersonal.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Angesichts dieser Tatsache scheint die Debatte um bessere soziale Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft fast aus der Zeit gefallen. Jedes Unternehmen ist rein wirtschaftlich daran interessiert, gute Fachkräfte zu werben und zu halten. Längst haben viele Firmen und Industrieunternehmen das erkannt und bieten ihren Mitarbeitenden neben unbefristeten und gut bezahlten Jobs allerlei Unterstützung, Freiheiten und Zusatzangebote.

Die Universitäten hingegen bieten Teilzeitstellen bei voller Arbeitszeit, mäßige Bezahlung und kurze Vertragslaufzeiten mit ungewisser Verlängerungsoption. Dabei stehen die Universitäten im stetigen Wettkampf um Spitzenforscher*innen und neue Innovationen. Am Ende ist es fast egal, ob dieser Zustand aus einem sozialen Verständnis heraus kritisiert wird oder ob es ein rein wirtschaftlicher Erhaltungsgedanke ist.

Der demographische Wandel macht aus dem Arbeitsmarkt einen Arbeitsnehmer*innenmarkt. Es ist zu kurzfristig gedacht, wenn argumentiert wird, dass mehr Dauerstellen an Universitäten zu viel kosten. Unbesetzte Wissenschaftler*innen-Stellen kosten die Universitäten, die Gesellschaft und die Wirtschaft viel mehr.

Universitäten bilden Fachkräfte von morgen aus

Die Universitäten bilden die Fachkräfte von morgen aus – egal ob diese als Wissenschaftler*innen eine akademische Laufbahn einschlagen, in die Industrie gehen oder sich selbstständig machen. Am Ende werden diejenigen Universitäten, die sich für ihre Mitarbeitenden einsetzen, einen Wettbewerbsvorteil haben – und zwar sowohl im Wettbewerb um die besten Forschungsergebnisse, als auch im Wettbewerb um das Budget.

Aber auch außerhalb des WissZeitVG sollten wir uns auf die Gewinnung und die Bindung von Fachkräften konzentrieren. Auch Mitarbeitende in Technik, Service und Verwaltung an Universitäten haben oft vergleichsweise schlechte Arbeitsbedingungen, zum Beispiel weil die Prozesse zur Eingruppierung in eine Endgeldstufe relativ willkürlich und intransparent sind. Hier gelten dieselben Argumente. Kein Unternehmen, keine Firma, keine Universität ist arbeitsfähig, wenn die Verwaltung nicht funktioniert, weil das Personal fehlt. Dies ist schon jetzt an vielen Universitäten ein ernstes Problem.

Alleingänge werden nicht gerne gesehen

Aber können die Universitäten dies nicht auch ohne eine neue Gesetzeslage umsetzen? In der Theorie ist dies natürlich möglich. In der Praxis ist das allerdings schwierig bis unmöglich durchzusetzen: Alleingänge werden nicht gerne gesehen, weil diese auch die Systeme anderer Hochschulen und anderer Bundesländer in Frage stellen. Den Druck, dem die politisch Verantwortlichen aktuell in der Debatte um das WissZeitVG ausgesetzt sind, gibt es auch innerhalb der Hochschulen oder zwischen Hochschulen.

So betont die Hochschulrektorenkonferenz immer wieder, man müsse mit einer Stimme sprechen. Aber müssen wir das? Ist die freie Meinungsäußerung und Meinungsvielfalt nicht gerade erstrebenswert? Statt auf Politiker:innen, Gewerkschaften oder Aktivist:innen zu schimpfen, die versuchen, eine gute Regelung zu finden, sollten wir uns für deren Mühen bedanken, auch dann, wenn es Meinungsunterschiede gibt.

Wir haben gemeinsam die Chance, deutschen Universitäten zu einem Wettbewerbsvorteil zu verhelfen, in dem wir sie als Arbeitgeber*innen national und international attraktiv machen. Diese Chance sollten wir nicht nur nutzen – wir dürfen sie nicht verpassen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false