
© Christoph Salzmann
Geschüttelt, nicht gerührt: Neue Form von Wassereis geschaffen
Britische Forscher haben in einer Art Kugelmühle eine neue Eisform entstehen lassen. Auf Planetenmonden könnte sie häufiger zu finden sein, vermuten sie.
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Durch Schütteln in einem Gefäß mit Stahlkugeln haben Forscher eine neue Form von Wassereis geschaffen. Das bei etwa minus 196 Grad zwischen den Kugeln aus rostfreiem Stahl entstandene Eis habe ganz andere Eigenschaften als gewöhnliches Wassereis, berichteten sie kürzlich im Fachmagazin „Science“. Womöglich sei die Eisform auf Eismonden im Sonnensystem wie dem Jupitermond Ganymed zu finden.
„Wir kennen 20 kristalline Formen von Eis, aber bisher wurden nur zwei Haupttypen von amorphem Eis entdeckt, die als amorphes Eis mit hoher und mit niedriger Dichte bekannt sind“, erklärte Mitautor Christoph Salzmann vom University College London.
Kristallin bedeutet, dass die Wassermoleküle in einem strengen Kristallgitter vorliegen, das verschiedene Formen annehmen kann. Amorph hingegen wird der Zustand genannt, in dem die Moleküle weitgehend ungeordnet sind, wie es auch in flüssigem Wasser der Fall ist. Die amorphe Form entsteht, wenn beim Gefrieren nicht genügend Energie für die Ordnung im Kristallgitter zur Verfügung steht. Astronomen vermuten, dass Wassereis im Weltall größtenteils in amorpher Form vorliegt.
Während die eine bekannte Form von amorphem Eis bei minus 196 Grad eine Dichte von nur 0,94 Gramm pro Kubikzentimeter besitzt, bringt amorphes Eis hoher Dichte mindestens 1,13 Gramm auf die Waage. Die neu entdeckte Form liegt mit 1,06 Gramm dazwischen. Deshalb nennen die Forscher es „amorphes Eis mittlerer Dichte“. Die Dichte von gewöhnlichem Wassereis knapp unter null Grad beträgt weniger als bei all diesen Formen, 0,917 Gramm. Es ist damit weniger dicht als flüssiges Wasser, was der Grund dafür ist, dass Eisberge auf dem Wasser schwimmen.
Wenn der neuen, wie ein feines weißes Pulver aussehenden Eisform Wärme zugeführt wird, geht sie zunächst in die Form „gewöhnliches Eis mit Stapelfehler“ (stacking-disordered ice) über, später dann in gewöhnliches Eis. Dies geschieht bei normalem Umgebungsdruck von etwa 100.000 Pascal.
Als die Forscher das Eis dem Druck von einer Milliarde Pascal aussetzten und es dann erwärmten, maßen sie eine überraschend große, als Wärme frei werdende Energiemenge. Sie entspricht etwa 70 Prozent der Energie, die beim Gefrieren von Wasser zu gewöhnlichem Eis frei wird.
„Gezeitenkräfte im Inneren von Eismonden, die durch die Gravitationskräfte von Gasriesen hervorgerufen werden, können ähnliche Scherkräfte wie beim Kugelmahlen verursachen“, erläutern die Forscher. Die bei der Rekristallisation außerordentliche Menge an Wärme wiederum könnte bei der Aktivierung tektonischer Bewegungen eine Rolle spielen. Es könnte also etwa auf dem Jupitermond Ganymed Bewegungen geben, die der Plattentektonik auf der Erde ähneln.
Das Rennen sei nun im Gange, um zu verstehen, wie viel des amorphen Eises im Weltall eine mittlere Dichte hat und wie geophysikalisch aktiv es ist, sagte Mitautor Angelos Michaelides vom University College London. Außerdem müsse die neue Eisform noch genauer untersucht werden. Mit 1,06 Gramm pro Kubikzentimeter hat sie eine ähnliche Dichte wie flüssiges Wasser mit etwa 1,0 Gramm. Die Forscher mutmaßen deshalb, dass die neue Eisform der glasartige Zustand von Wasser sein könnte – also eine Nachbildung von flüssigem Wasser in fester Form, so wie Glas in Fenstern die feste Form von flüssigem Siliziumdioxid ist.
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