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Durch eine Langzeitbelichtung beim Fotografieren wird am Sternenhimmel die Erdrotation sichtbar. Der Himmel scheint sich um den Polarstern zu drehen.

© dpa/Patrick Pleul

Gezerre am Planeten: Klimawandel macht die Tage länger

Der Mond bremst die Rotation der Erde. Ein menschengemachtes Phänomen hat ähnliche Auswirkungen und könnte den Mond künftig sogar übertrumpfen.

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Der Klimawandel lässt die Tage auf der Erde einer Studie zufolge minimal länger werden. Das schmelzende Eis der Polargebiete verteile sich auf die Weltmeere und sorge damit für eine andere Massenverteilung, die die Erdrotation verlangsame, berichtet ein Forschungsteam im Fachmagazin „Proceedings“ der US-nationalen Akademie der Wissenschaften.

Derzeit liege der klimabedingte Effekt auf die Tageslänge bei etwa 1,33 Millisekunden pro Jahrhundert. Wenn der Klimawandel nicht eingedämmt wird, könnte der Effekt größer werden als der Einfluss des Mondes auf die Erdrotation, erklärt die Gruppe um Mostafa Kiani Shahvandi von der ETH Zürich.

Die Schwerkraft des Mondes bringt auf der Erde Gezeitenkräfte hervor, die hauptsächlich in Ebbe und Flut sichtbar werden. Das Zerren des Mondes an der Erde verlangsamt minimal die Rotation der Erde und verlängert damit den Tag um 2,4 Millisekunden pro Jahrhundert.

Messdaten und Modellberechnungen

Neben Messdaten von Satelliten verwendeten Shahvandi und sein Team Computermodelle, um den Einfluss des Klimas seit dem Jahr 1900 zu ermitteln und für die Zeit bis 2100 vorauszuberechnen. Die klimabedingte Zunahme der Tageslänge habe im Laufe des 20. Jahrhunderts erheblich geschwankt, berichten die Forschenden: zwischen 0,31 Millisekunden pro Jahrhundert (1960 bis 1980) und 1,00 Millisekunden pro Jahrhundert (1920 bis 1940).

„Diese Schwankungen spiegeln die variablen Anteile der globalen Oberflächentemperatur-Änderung, der Eisschmelze, der Änderung der terrestrischen Wasserspeicherung und des Meeresspiegelanstiegs wider, die im 20. Jahrhundert aufgetreten sind“, schreiben die Autoren.

Für die ersten zwei Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts haben die Forscher eine durchschnittliche klimabedingte Zunahme der Tageslänge um 1,33 Millisekunden pro Jahrhundert errechnet. Das sei statistisch bedeutsam mehr als im gesamten 20. Jahrhundert. Den Computermodellen zufolge geht die Erhöhung des Wertes im Wesentlichen auf die Eisschmelze auf Grönland und in der Antarktis zurück.

„Diese Ergebnisse zeigen, dass der Massentransport von den Polen zum Äquator infolge des Klimawandels in den letzten zwei Jahrzehnten im Vergleich zu den vorhergehenden 100 Jahren beispiellos war“, erläutern die Wissenschaftler.

Bei der Vorausberechnung für das Jahr 2100 verwendete das Team einerseits ein günstiges Szenario mit einem starken Rückgang der Treibhausgas-Emissionen: Das brachte kaum Veränderungen der klimabedingten Tageslänge mit sich. Wenn andererseits ein weiterer Anstieg des Treibhausgas-Ausstoßes wie im RCP-8.5-Szenario das Klima weiter anheizt, ergibt sich daraus eine Verlängerung des Tages um 2,62 Millisekunden pro Jahrhundert. Der Effekt wäre dann größer als der durch die Gezeitenkräfte des Mondes. (dpa)

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