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Glasfassade des Henry-Ford-Baus der FU in Berlin-Dahlem.

© picture alliance/dpa

Flüchtlingsdebatte: Handgemenge mit Sekt und Kellnern an der FU

Die Studierenden der Freien Universität kritisieren ein zu geringes Engagement des Präsidiums für Flüchtlinge - im Akademischen Senat rangeln sie mit Professoren.

Studierende der FU werfen dem Präsidium der Uni ein zu schwaches Engagement für Flüchtlinge vor. In der Sitzung des Akademischen Senats (AS) am Mittwoch übergaben sie der Uni-Leitung 1481 Unterschriften von Kritikern. Bei der Protestaktion von etwa 40 Studierenden kam es zu Gerangel.

Wurden Flüchtlinge vom Willkommensprogramm ausgeschlossen?

Zunächst verlasen zwei Studierendenvertreter eine Stellungnahme, in der sie der Uni-Leitung vorwarfen, interessierte Flüchtlinge von der Teilnahme am Willkommensprogramm der FU ausgeschlossen zu haben. Im Willkommensprogramm können Flüchtlinge zur Vorbereitung auf ihr Studium ausgewählte Lehrveranstaltungen, Deutsch- und Landeskundekurse belegen.

Die Uni-Leitung habe Unterlagen über den Aufenthaltsstatus sowie eine Hochschulzugangsberechtigung verlangt, obwohl es sich bei den angeboten Kursen nicht um ein echtes Studium handle, kritisierten die beiden Studenten. So seien im Moment nur 119 Flüchtlinge am Willkommensprogramm beteiligt, obwohl 280 ihr Interesse angemeldet hätten. Die Studierendenvertreter forderten besonders, angesichts der Zustände in den Massenunterkünften müsse die Universität leer stehende Villen für Flüchtlinge bereit stellen - zum Wohnen oder mindestens als Orte für Deutschkurse.

Im Anschluss spielten Studierende über einen mitgebrachten Lautsprecher Musik ab, zugleich betraten vier als Kellner verkleidete Aktivisten mit einem Getränkewagen den Sitzungssaal im Henry-Ford-Bau und begannen, den Mitgliedern des Gremiums Sekt auszuschenken. Ein studentischer Kellner schüttete den Inhalt eines voll beladenen Tabletts über den Informatik-Professor Jochen Schiller, woraufhin Schillers Sitznachbar, der Veterinär-Physiologe Jörg Aschenbach, dem „Kellner“ spontan ein Glas Sekt ins Gesicht kippte. Der sichtlich betroffene Student beteuerte, ihm seien die Gläser nur versehentlich vom Tablett gefallen. Doch die nun aufgebrachten Professoren erklärten, die Situation sei „vorprogrammiert“ gewesen und forderten die Studierenden auf, „das unangemessene und peinliche Spektakel“ zu beenden.

Der FU-Kanzler spricht von "dreister Dummheit"

Schließlich einigte sich das Gremium mit den Studierenden auf eine Debatte von 30 Minuten. Dabei bemächtigten sich die Besucher aber der Sitzungsleitung, indem sie ihre Redebeiträge durch den mitgebrachten Lautsprecher verbreiteten. AS-Mitglieder, die sich zu Wort meldeten, mussten sich auf die Rednerliste der Besucher setzen lassen. „Das ist unsere einzige Möglichkeit für Mitsprache“, erklärte einer der Aktivisten.

FU-Kanzler Peter Lange nannte die Aktion eine „dreiste Dummheit“ und verwahrte sich dagegen, dass er und die FU-Verwaltung „daran Schuld sein sollen, wenn hier bald Flüchtlinge erfrieren“. Die zum Verkauf stehenden Villen der FU seien nicht einmal für den Bürobetrieb zugelassen, geschweige denn als Wohnungen. „Wir haben Aufgaben, aber wir können nicht die Aufgaben von anderen übernehmen.“ Die Tatsache, dass nun weniger Flüchtlinge am Willkommensprogramm der FU teilnehmen als ursprünglich interessiert waren, erklärte Lange damit, dass viele Flüchtlinge technische Fächer studieren wollten, die an der FU nicht angeboten werden.

Mehrere AS-Mitglieder kritisierten die protestierenden Studierenden dafür,  beim Flüchtlingsthema „eine Front“ zwischen den Angehörigen der FU aufmachen zu wollen und nicht anzuerkennen, dass die Beschäftigten sich bereits „über die Kräfte hinaus“ für die Flüchtlinge engagieren. Bettina Oehlert, die Vorsitzende des Gesamtpersonalrats, sagte: „Das Thema liegt uns allen am Herzen, wir sollten lieber gemeinsam arbeiten.“ Die Aktivisten verlangten aber, die international ausgerichtete FU müsse bundesweit mit ihrem Engagement zum Vorbild werden und Aktivitäten weit über die Institution hinaus entfalten. Das Willkommensprogramm der FU sei nur ein „Alibiprogramm“. „Unverschämtheit!“, antwortete es aus den Reihen der AS-Mitglieder.

Fürs "Buddy-Programm" werden noch Kräfte gesucht

Ein Aktivist erklärte daraufhin, er wolle das Engagement der FU-Angehörigen keineswegs schmälern, man setze gerade auf den AS, „damit das Präsidium nicht mehr alles machen kann, was es will.“ Dann verteilten die Studierenden stilvoll bedruckte Karten auf die Tische der AS-Mitglieder mit einer Einladung für ein Gespräch.

Kanzler Lange warf den Aktivisten vor, „nur ihr Ritual abziehen zu wollen“, anstatt sich selbst am „Buddy-Programm“ zu beteiligen, für das noch Kräfte gesucht würden.  Im „Buddy-Programm“ begleiten Studierende die Flüchtlinge der FU. Als der Kanzler seine Redezeit nach Meinung der Studierenden überzogen hatte, übertönten sie ihn mit Musik aus ihrem Lautsprecher. Nach 30 Minuten war die Debatte wie geplant beendet, der Akademische Senat konnte ungestört seine Tagesordnung abarbeiten.
- Mehr zur Situation von Flüchtlingen in Berlin lesen Sie hier.

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