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Warum weinen Frauen so häufig? Um Männer weichzukochen, behaupten israelische Forscher.

© Vario Images

Frauentränen machen Männer weich: Heul doch!

Die Tränen der Frauen: Israelische Forscher wollen ein chemisches Signal in Tränen entdeckt haben, das Männer weichkocht. Das Testosteronlevel sank bei den Probanden genauso wie ihre sexuelle Erregung.

Tränen eignen sich hervorragend, um Menschen zu manipulieren. „Tränen sind auch von Gewinn. Durch Tränen wirst Stahl du erweichen“, schrieb schon der römische Dichter Ovid. Weinen ist ein emotionales Druckmittel, das weiß jeder, der schon einmal eine Mutter gesehen hat, die versucht, ihr kleines Kind im Supermarkt an den Süßigkeitenregalen vorbeizuschleifen.

Israelische Forscher wollen nun einen sehr viel direkteren Weg entdeckt haben, wie Tränen Menschen manipulieren: mit einem chemischen Botenstoff. Die Substanz selbst hätten sie zwar nicht identifizieren können, wohl aber ihren Effekt auf Männer, schreibt das Team um Noam Sobel vom Weizmann-Institut in Rehovot im Fachmagazin „Science“.

Die Forscher ließen 24 Männer zunächst an Tränen und an einer Salzlösung riechen. Die Probanden konnten zwischen den beiden Substanzen keinen Unterschied erkennen. Dann wurde den männlichen Testpersonen ein kleines Polster auf die Oberlippe geklebt. Darauf träufelten die Forscher entweder die Ersatzflüssigkeit oder „frische“ Tränen von Frauen, die Minuten vorher bei einem traurigen Film geweint hatten.

Erhielten die Männer echte Tränen, so bewerteten sie hinterher Fotos von Frauen als weniger attraktiv, ihr Testosteronlevel sank und sie gaben auch an, sexuell weniger erregt zu sein. Das zeigte sich auch im Hirnscanner: Hatten die Männer an Tränen gerochen, wiesen sie eine geringere Aktivität in Hirnzentren auf, die an der Empfindung sexueller Erregung beteiligt sind.

„Das alles deutet daraufhin, dass weibliche Tränen ein chemisches Signal enthalten, das sexuelle Erregung in Männern reduziert“, schreiben die Wissenschaftler. „Chemische Signale sind eine Sprache und ich glaube, wir haben jetzt das Wort ,nein‘ entdeckt“, sagt Sobel. Der amerikanische Pharmazeut William Frey, der in den siebziger Jahren als einer der ersten die Zusammensetzung von Tränen erforschte, ist von den Ergebnissen allerdings nicht überzeugt. Er kritisiert, dass die Wissenschaftler die Tränen direkt unter die Nase der Testpersonen träufelten. „Wenn eine Frau weint, dann weint sie mir ja nicht direkt auf die Oberlippe“, sagt Frey. „Das ist unrealistisch.“ Sobel weist die Kritik von sich. In Wirklichkeit sei der Effekt von Tränen wahrscheinlich noch größer. „Das ist ein Flüssigkeitstropfen, der eine 37 Grad warme Fläche herunterrollt“, sagt er. „Hervorragend für eine Substanz, die sich in der Luft verteilen soll.“

Frey bemängelt aber auch den grundsätzlichen Ansatz der Forscher. „Sie hätten emotionale Tränen gegen andere Tränen testen sollen, nicht gegen eine Salzlösung.“ Schließlich wisse man, dass in Tränen etwa Hormone enthalten seien und diese könnten möglicherweise den beobachteten Effekt erklären. „Ich freue mich enorm, dass jemand an Tränen forscht“, sagt Frey. „Aber ehrlich gesagt war ich schockiert, als ich gesehen habe, dass diese Studie in einem so renommierten Magazin wie ,Science’ erscheint.“ Er sage nicht, dass die Ergebnisse nicht stimmen könnten. „Aber schauen wir mal, ob andere Leute diese Daten reproduzieren können.“

Sobel glaubt, endlich erklären zu können, warum der Mensch als einziges Tier weint. Tränen gibt es im ganzen Tierreich und sie erfüllen wichtige Aufgaben: Sie gleichen Unebenheiten der Hornhaut aus, versorgen sie mit Nährstoffen und enthalten natürliche Antibiotika, um vor Infektionen zu schützen. Gelangen schädliche chemische Stoffe ins Auge, oder ein Fremdkörper droht das Auge zu verletzen, wird die Tränenproduktion angekurbelt, um den Eindringling wegzuspülen.

Aber emotionale Tränen sind wissenschaftlich betrachtet skurril: Wir sind traurig oder glücklich und plötzlich beginnt der Lakrimarapparat, die Produktion von Tränenflüssigkeit auf das 400-Fache des Normalen zu steigern, und uns laufen die Tränen über die Wangen.

Forscher wissen, dass Frauen im Durchschnitt 30 bis 64 Mal im Jahr weinen und Männer nur sechs bis 17 Mal. Frauen in höher dotierten Jobs weinen weniger als Frauen im Allgemeinen, Krankenschwestern häufiger als Ärzte, Männer in Spanien und Peru besonders selten, Frauen aus der Türkei und den USA besonders häufig. Aber diese Vermessung des Weinens, die ganzen tränenreichen Tagebücher, Fragebögen und Laborversuche haben die Wissenschaftler bei der Beantwortung der entscheidenden Frage nicht weitergebracht: Warum weinen wir überhaupt?

Das Rätsel brachte schon Darwin um den Schlaf. Vorschläge hat es seither viele gegeben: Frey etwa glaubt, dass Tränen dazu dienen, überschüssige oder schädliche Substanzen aus dem Körper auszuscheiden und Sigmund Freud war überzeugt, dass Weinen ein Akt der psychischen Reinigung sei. Andere Theorien sind skurriler. So besagt die „Farewell-Theorie“, bei Abschiedsfeiern habe der Rauch von Lagerfeuern den Menschen die Tränen in die Augen getrieben und das habe zu einer Verbindung von Tränen und Trauer geführt.

Sobel und sein Team meinen nun die Antwort gefunden zu haben: Wir weinen, um zu kommunizieren. Sobel glaubt nicht, dass es dabei nur um sexuelle Erregung geht. „Möglicherweise haben wir hier nur einen kleinen Teil eines größeren Bildes entdeckt und Tränen dienen ganz allgemein dazu, Aggression zu vermindern“, sagt er. Aber das sei im Moment nur Spekulation. „Es gibt jetzt viele spannende Fragen zu beantworten: Können Tränen in anderen Situationen auch andere chemische Signale senden? Sind die Tränen von Frauen anders als die von Männern?“ Und vor allem: Welches Molekül ist die Ursache? Sobel hat inzwischen sogar eine medizinische Anwendung im Blick. Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern und eine Möglichkeit, sie zu behandeln, besteht darin, das Testosteron zu senken. Sollten Sobel und sein Team also tatsächlich eine harmlose Substanz in Tränen finden, die das Testosteronlevel senkt, dann könnten Tränen doch noch eine heilende Wirkung entfalten.

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