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Annette Fugmann-Heesing, Kuratoriumsvorsitzende der Uni Bielefeld.

© promo

Kontrollen: Hochschulräte auf dem Prüfstand

Beisitzer statt „Beischläfer“: Die Aufsichtsräte von Hochschulen funktionieren nicht immer so gut, wie sie sollten. Nun wollen 40 Vorsitzende von Uni-Kuratorien ihnen den Weg weisen

An den Hochschulräten scheiden sich die Geister. Seit der Staat die Hochschulen in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer weiter in die Autonomie entlassen hat, sollen statt seiner unabhängige Persönlichkeiten die Hochschulleitungen inspirieren und kontrollieren. Doch klappt das auch immer? „Aus Beisitzern werden leicht Beischläfer“, hat ein Kenner einmal formuliert. Denn die Mitglieder der Hochschulräte (auch Kuratorien oder Aufsichtsräte genannt) kämen nur ein- oder zweimal im Semester zusammen – viel zu selten, um sich wirklich ein eigenes Bild aus den Papierstapeln zu machen, die sie aus der Uni-Verwaltung in die Hand gedrückt bekommen. Erst recht, da die meisten Kuratoren die Hochschulen nur nebenberuflich beaufsichtigen. So müssten die Hochschulräte vor allem dem Präsidium vertrauen, wenn es um Interna geht, wird kritisiert.

In denjenigen Bundesländern, in denen die Hochschulräte mit viel Macht ausgestattet sind und etwa den Präsidenten der Hochschule bestimmen dürfen, kommt es außerdem zu Abwehrreaktionen an der Hochschul-Basis. Die grün-rote Koalition in Baden-Württemberg hat darum im Koalitionsvertrag versprochen, die Räte auf nur noch beratende Funktion zurückzustutzen, um „demokratische Strukturen“ zu stärken. Auch in Nordrhein-Westfalen hinterfragen Parteien in ihren Wahlprogrammen die Rolle der Räte: „Es gibt eine politische Diskussion darüber, ob wir autonome Hochschulen wollen oder die Rückkehr zur Steuerung durch die Ministerialbürokratie“, erklärt die Berliner SPD-Politikerin Annette Fugmann-Heesing, die Vorsitzende des Hochschulrats der Universität Bielefeld ist. Die extern besetzten Hochschulräte seien sehr wohl der richtige Weg: „Wenn man das bezweifelt, muss man die Struktur sämtlicher Unternehmen infrage stellen.“

Fugmann-Heesing hat am gestrigen Mittwoch gemeinsam mit 39 weiteren Vorsitzenden von Hochschulräten ein dreiseitiges Positionspapier veröffentlicht: „Hochschulräte als Organe einer autonomen Hochschule“ lautet der Titel. Federführend war neben Fugmann-Heesing der einstige Vorsitzende des Wissenschaftsrats, der Historiker Winfried Schulze, der dem Hochschulrat der Universität Paderborn vorsitzt. Unter den Hochschulratsvorsitzenden, die unterschrieben haben, sind auch der ehemalige Chef der Deutschen Bank, Rolf Breuer, die einstige Generalbundesanwältin Monika Harms, der CDU-Politiker Bernhard Vogel und die Gewerkschafterin Monika Wulf-Mathies.

Die Ratschläge speisen sich aus Erfahrungen, die im „Forum Hochschulräte“ des Stifterverbands diskutiert wurden. Sie sollen in Zukunft von den Hochschulräten berücksichtigt werden und bei der Novellierung von Hochschulgesetzen eine Rolle spielen. Das Papier verlangt dabei keineswegs eine neue Allmacht für die Kuratoren, sondern betont durchaus auch deren Pflichten.

So sollen die Hochschulräte darüber mitbestimmen, wer Präsident oder Präsidentin einer Hochschule wird, nämlich gemeinsam mit dem Akademischen Senat der Hochschule. Fugmann-Heesing sagt dazu, sie halte es für „falsch“, dass in NRW der Hochschulrat den Senat bei der Präsidentenwahl überstimmen kann: „Beide Gremien müssen die Hochschulleitung tragen.“ Eine gemeinsame Findungskommission sei darum richtig.

Bei der Zusammensetzung des Rats soll es keine „Proporzvorgaben“ geben, „Statusgruppenrepräsentanz“ führe „zwangsläufig zu Rollenkonflikten und Fraktionierungen“. Die Mitglieder sollten so zusammengesetzt sein, dass sie „ein breites Spektrum von Erfahrungswissen“ mitbringen. Zumindest einzelne Hochschulratsmitglieder sollten „über längere Führungserfahrung bzw. solide Kenntnisse in Bilanzkunde und Rechnungslegung verfügen“.

Die Räte sollen nicht nur „vertrauensvoll mit dem Präsidium zusammenarbeiten“, sondern auch den Kontakt zu Studierenden oder Personalräten pflegen, um sich ins Bild zu bringen.

Mit dem Präsidenten soll der Rat Zielvereinbarungen schließen, heißt es in dem Papier. Doch was geschieht, wenn das Leitungspersonal die gesetzten Ziele nicht erreicht? Davon, dass jemals ein Präsident oder eine Präsidenten mit Gehaltseinbußen bestraft wurde, ist noch nie etwas bekannt geworden. Fugmann-Heesing sagt, tatsächlich seien die Möglichkeiten zu Sanktionen schon wegen des Beamtenstatus der Präsidenten „sehr begrenzt“. Entscheidend sei jedoch, dass im Zuge der Zielvereinbarungen „Gespräche zustande kommen, die Fragen aus einem anderen gesellschaftlichen Blickwinkel“ an die Leitungen herantragen.

Noch nicht in Deutschland umgesetzt ist die Idee der 40 Vorsitzenden, auch die Räte sollten Rechenschaft über ihre Arbeit ablegen, gegenüber dem Parlament und/oder der Regierung. Von öffentlichen Sitzungen halten die Unterzeichner des Papiers hingegen nichts. Die Entscheidungsprozesse würden dann nur auf informelle Vorabsprachen verlagert. Die Beschlüsse sollten aber hochschulöffentlich gemacht werden, und in größeren Abständen solle auch der Öffentlichkeit berichtet werden – ein guter Tipp auch für manche Berliner Universität. Anja Kühne

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