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Computergenerierte Spiegelbilder, auf denen Menschen ein kindlicheres Aussehen bekommen, helfen Probanden, sich besser an Episoden aus ihrer Kindheit zu erinnern.

© Anglia Ruskin University

Jüngeres Spiegelbild hilft dem Gedächtnis: Digitale Verjüngung weckt verborgene Kindheitserinnerungen

Wie hieß noch gleich mein bester Sandkastenfreund? Wie war das damals auf der Kindergartenfahrt? Britische Forschende haben einen Weg gefunden, verschüttete Kindheitserinnerungen zu reaktivieren.

Von Larissa Schwedes

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Wie war das noch damals, im Kindergarten oder dem ersten großen Familienurlaub? Unsere Erinnerungen an die eigene Kindheit sind begrenzt und oft lückenhaft. Neurowissenschaftler haben nun mit einer ungewöhnlichen Methode probiert, solche Erinnerungen besser abrufbar zu machen – und berichten im Fachblatt „Scientific Reports“ von Erfolgen.

Alle Ereignisse, an die wir uns erinnern, sind nicht nur Erfahrungen der Außenwelt, sondern auch Erfahrungen unseres eigenen Körpers, der immer präsent ist.

Utkarsh Gupta, University of North Dakota

In einem Experiment mit 50 Erwachsenen zeigte ein Forschungsteam der Anglia Ruskin University in Cambridge den Probanden digital manipulierte Live-Video-Abbildungen ihres eigenen Gesichts – allerdings mit Filtern, die sie deutlich verjüngten und zeigen, wie sie als Kinder ausgesehen haben könnten. Bewegten die Personen ihren Kopf, tat ihr verjüngtes Abbild dies auch, sodass es schien, als würden die Menschen in einen Spiegel schauen. Eine Kontrollgruppe hingegen sah ihr unverändertes Gesicht – unter ansonsten gleichen Bedingungen. 

Ein Spiegelbild in die Vergangenheit

Danach sollten sich die Probanden an Episoden aus ihrer Kindheit erinnern, die beispielsweise aus ihrem damaligen Zuhause oder einem Urlaub stammen. Das Forschungsteam analysierte, in welcher Detailtiefe die Menschen sogenannte episodische autobiografische Erinnerungen wiedergeben konnten. So nennt man der Studie zufolge Erinnerungen, die es einem ermöglichen, vergangene Erlebnisse mental noch einmal zu durchleben und gedanklich zu Ereignissen aus der eigenen Vergangenheit zurückzureisen.

Das Ergebnis der Studie: Die kurze Wahrnehmung einer anderen – in diesem Fall jüngeren – Version des eigenen Körpers scheint einen Effekt zu haben und autobiografische Erinnerungen besser abrufbar machen zu können. Nach Angaben des Forschungsteams ist die Studie die erste, die darauf hindeutet, dass Erwachsene sich besser an ihre Kindheit erinnern, wenn sie eine kindliche Version ihres eigenen Gesichts gesehen haben.

„Unser Körper ist immer präsent“

Der federführende Autor Utkarsh Gupta, mittlerweile an der University of North Dakota tätig, erklärt: „Alle Ereignisse, an die wir uns erinnern, sind nicht nur Erfahrungen der Außenwelt, sondern auch Erfahrungen unseres eigenen Körpers, der immer präsent ist.“ Der in dem Experiment beobachtete Effekt könne daran liegen, dass das Gehirn die körperlichen Aspekte als Detailinformation eines Ereignisses speichert. Die Wiederholung ähnlicher körperliche Reize könne helfen, die Erinnerungen auch Jahrzehnte später noch abzurufen.

Seine Kollegin von der Anglia Ruskin University, Jane Aspell, sieht in der Entdeckung größeres Potenzial: Anspruchsvollere körperliche Illusionen mithilfe digitaler Technologie könnten genutzt werden, um Erinnerungen aus verschiedenen Lebensphasen zu rekonstruieren. „In Zukunft könnte es sogar möglich sein, die Illusion so anzupassen, dass sie zur Unterstützung der Gedächtnisleistung bei Menschen mit Gedächtnisstörungen eingesetzt werden kann“, so Aspell. (dpa)

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