Zerstörte Moore und Treibhausgase: Kampf dem Austrocknen
Die weltweite Zerstörung der Moore setzt große Mengen Treibhausgase frei.
Mit Weihnachtssternen hat Jutta Zeitz ein Problem. Besser gesagt, mit dem, wofür die Pflanze mit den leuchtend roten Blättern auch steht: für den industriellen Abbau von Torf, und damit die systematische Trockenlegung und Zerstörung von Mooren. Denn das Substrat in den zur Adventszeit millionenfach verkauften Blumentöpfen besteht laut der Naturschutzorganisation BUND zu etwa 80 Prozent aus Torf, dem Hauptbestandteil von Mooren.
Insgesamt sind es deutschlandweit etwa acht Millionen Kubikmeter Torf, die jährlich allein auf das Konto des industriellen Torfabbaus gehen. Das Problem: Dabei wird das klimarelevante Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre freigesetzt. Das sind circa 1,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente – sieben Prozent der Treibhausgase (neben CO2 auch Methan und Lachgas), die in Deutschland insgesamt durch den Moorabbau freigesetzt werden, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Moor- und Torfkunde e.V. (DGMT). „Weitaus mehr, nämlich 84 Prozent, verursacht die intensive land- und forstwirtschaftliche Nutzung durch die Entwässerung der Moore“, sagt Jutta Zeitz. Sie ist die Leiterin des Fachgebiets Bodenkunde und Standortlehre an der Humboldt-Universität und erforscht seit mehr als 30 Jahren, welche Auswirkungen die Moornutzung auf die Umwelt hat.
Wasser ist die Grundvoraussetzung für die Bildung und Erhaltung der Feuchtbiotope. Nach der letzten Eiszeit vor rund 11 500 Jahren entstanden unsere heutigen Moore. Das Wasser der geschmolzenen Gletscher bildete Urstromtäler, in denen sich zuerst die nährstoffreichen Niedermoore bildeten, etwa 1000 Jahre später die aus nährstoffarmen Niederschlägen gespeisten Hochmoore. Charakteristisch für ein intaktes Moor ist die permanente Wassersättigung des Bodens. Dadurch tritt darin Sauerstoffmangel auf. Abgestorbene Pflanzen werden unvollständig abgebaut und konserviert. Schicht um Schicht bildet sich so der Torf. Er besteht zum größten Teil aus Kohlenstoff, den die Moorpflanzen bei der Photosynthese aus atmosphärischem CO2 bilden. „Moore entziehen der Atmosphäre weltweit jedes Jahr 150 bis 250 Millionen Tonnen CO2. Auf diese Weise haben sich im Laufe der Jahrtausende ungeheure Kohlenstoffspeicher gebildet", erklärt die Moorexpertin.
Obwohl sie nur drei Prozent der Landfläche belegen, speichern Moore etwa ein Drittel der weltweiten Kohlenstoff-Vorräte. Werden sie nun für die landwirtschaftliche Nutzung entwässert, kommt es zur Belüftung der Moorböden: In die ausgetrockneten Torfe gelangt Sauerstoff, so dass die Böden nun von Mikroorganismen abgebaut werden können. Indem sie den gespeicherten Kohlenstoff zu CO2 „veratmen“, setzen sie große Mengen von klimawirksamen Treibhausgasen in die Atmosphäre frei.
Erhält ein Moor das lebenserhaltende Wasser zurück, können mehrere Jahrzehnte vergehen, bis es sich regeneriert hat. Welche Indikatoren eine erfolgreiche Renaturierung anzeigen und wie die Neubildung von Torf im Detail funktioniert, daran forschen die Berlinerin und ihre Arbeitsgruppe mit Hochdruck. In dem kürzlich abgeschlossenen Projekt „Berliner Moorböden im Klimawandel“ hat sie eine berlinweite Moorkarte erstellt. Ziel war, einheitliche Daten zum Ist-Zustand der Berliner Moore zu erheben. „In Deutschland sind die meisten naturnahen Moore bereits zerstört. Deshalb ist es wichtig, die wenigen intakten Moore zu schützen und Maßnahmen zu ergreifen, um die bereits degradierten Moore zu regenerieren“, betont Jutta Zeitz.
- Dieser Text erschien in der Beilage "Humboldt-Universität 2015".
Maimona Id