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Maßnahmen erschöpft: Erholung der Artenvielfalt in Flüssen stockt
Verglichen mit den 1950er und 1960er Jahren geht es vielen europäischen Flüssen zwar viel besser. Doch eine Studie zur Entwicklung der Artenvielfalt zeigt: Merkliche Verbesserungen gibt es schon seit vielen Jahren keineswegs mehr. Was getan werden muss.
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Die Artenvielfalt in europäischen Flüssen erholte sich dank entschiedener Maßnahmen vielerorts – längst aber stagniert dieser Aufschwung. Dabei ist der ursprüngliche Artenreichtum noch längst nicht wieder erreicht, berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachjournal „Nature“. Sie hatten die Entwicklung am Beispiel wirbelloser Tiere im Süßwasser nachverfolgt.
„Unsere Daten zeigen, dass sich Flüsse durchaus erholen können, wenn wir als Gesellschaft die richtigen Maßnahmen umsetzen“, erklärte die Mitautorin Sonja Jähnig vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin. „Allerdings haben wir seit 2010 beim Zustand der Artenvielfalt kaum noch Fortschritte erzielt, sodass es heute zusätzlicher Anstrengungen bedarf.“
Diese Zuwächse traten hauptsächlich vor 2010 auf und haben sich seitdem leider auf einem mehr oder weniger gleichbleibenden Niveau eingependelt.
Peter Haase, Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt
Für die Studie wurden 1816 Zeitreihen analysiert, die zwischen 1968 und 2020 für Flüsse in 22 europäischen Ländern gesammelt wurden. Die Beobachtungen betrafen 2648 Arten. Die Auswertungen zeigen, dass die Artenvielfalt mehr als 50 Jahre lang deutlich angestiegen ist. „Diese Zuwächse traten jedoch hauptsächlich vor 2010 auf und haben sich seitdem leider auf einem mehr oder weniger gleichbleibenden Niveau eingependelt“, sagte Erstautor Peter Haase vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.
Die Zunahme der biologischen Vielfalt in den 1990er und 2000er Jahren sei wahrscheinlich auf „die Wirksamkeit von Wasserqualitätsverbesserungen und Renaturierungsprojekten“ zurückzuführen, so Haase. Die anschließende Stagnation deute „auf eine Erschöpfung der bisherigen Maßnahmen hin“.
Schadstoffe, Abwässer, Pestizide
Binnengewässer sind durch Landwirtschaft und Städte Belastungen ausgesetzt, etwa durch Schadstoffe, Abwässer oder Pestizide. Als Reaktion auf den schlechten Zustand der Gewässer in den 1950er und 1960er Jahren waren Gegenmaßnahmen ergriffen worden, etwa mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie.
„Diese Maßnahmen führten zu einem deutlichen Rückgang der organischen Verschmutzung und der Versauerung ab etwa 1980“, erklärte die beteiligte Wissenschaftlerin Ellen Welti vom Smithsonian's Conservation Ecology Center in den USA. Nun aber nähmen die „Stressfaktoren“ wieder zu. „Die biologische Qualität der Flüsse ist nach wie vor vielerorts unzureichend.“
Damit sich die positive Entwicklung fortsetzt, seien „erhebliche Investitionen“ erforderlich, so die Autoren. Zum Beispiel müssten Kläranlagen verbessert und verhindert werden, dass bei Überschwemmungen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln aus landwirtschaftlichen Flächen in die Flüsse geschwemmt werden.
Wirbellose Tiere wie die Larven von Stein- und Köcherfliegen tragen den Forschern zufolge zu wichtigen Ökosystemprozessen in Süßgewässern bei. Sie zersetzen organische Stoffe, filtern Wasser und transportieren Nährstoffe. Solche sogenannten Invertebraten (Tiere ohne Wirbelsäule) seien seit langem „ein Eckpfeiler zur Überwachung der Wasserqualität“.
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