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An deutschen Schulen fehlen viele Lehrerinnen und Lehrer.

© imago/Rainer Weisflog / Imago Images/Imago Stock

Personalmangel an Schulen: Experten haben offenbar verzerrte Teilzeitquote bei Lehrkräften verwendet

Die empfohlenen Maßnahmen gegen Lehrermangel hatten heftige Diskussionen ausgelöst. Jetzt erklärt die zuständige Kommission: Die verwendeten Daten waren nicht korrekt.

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) soll ihre Empfehlungen für Maßnahmen gegen den Lehrermangel möglicherweise auf einer fragwürdigen Datengrundlage ausgesprochen haben. Dies berichtet der „Spiegel“. Die Kommission, ein Beratungsgremium der Kultusministerkonferenz, hatte unter anderem vorgeschlagen, wieder mehr Lehrkräfte aus der Teilzeit in die Vollzeit zu holen und dazu die Teilzeitbeschäftigung zu begrenzen.

„Die Teilzeitquote im Lehramt ist mit rund 47 Prozent im Verhältnis zu jener bei Erwerbstätigen insgesamt (29 Prozent) deutlich höher“, hatte es in dem Papier in Bezug auf das Schuljahr 2019/2020 geheißen. Die Stellungnahme hatte heftige Diskussionen um die Arbeitsbereitschaft von Lehrerinnen und Lehrern ausgelöst.

Dabei zeichnen die zugrunde liegenden Zahlen wohl ein verzerrtes Bild: Für dasselbe Schuljahr gibt das Statistische Bundesamt an, nur 39 Prozent der Lehrkräfte arbeiteten in Teilzeit. Nun erklärt die SWK, dass in ihrer Zahl, die aus dem Nationalen Bildungsbericht übernommen wurde, auch sogenannte stundenweise Beschäftigte eingerechnet wurden: Referendarinnen und Referendare etwa, die seltener eigenständig unterrichten als fertig ausgebildete Lehrkräfte.

Möglichkeiten für Teilzeitarbeit begrenzen?

Ebenso Personen, die hauptamtlich einem anderen Beruf nachgehen und nur wenige Stunden in der Woche an Schulen arbeiten, „etwa ein Pastor, der Religionsstunden gibt, oder eine Bademeisterin, die Schwimmunterricht erteilt“, erläuterte die SWK gegenüber dem Magazin. Dies habe zu „Verzerrungen“ geführt.

Die von der SWK verwendete Zahl bezog außerdem Berufsschulen mit ein, das Statistische Bundesamt betrachte nur die allgemeinbildenden Schulen, heißt es. Die verbleibende Differenz zu anderen Berufsgruppen führt der Bildungsforscher Klaus Klemm unter anderem darauf zurück, dass rund 70 Prozent der Lehrkräfte Frauen seien – viele Mütter arbeiten in Teilzeit, etwa um Kinder zu betreuen.

Die SWK hatte im Januar angesichts des Lehrkräftemangels vorgeschlagen, die Möglichkeiten für Teilzeitarbeit zu begrenzen. „Hier liegt die größte Beschäftigungsreserve“, hatte das Gremium in einer Stellungnahme festgestellt und konkret angeregt, eine Reduzierung der Arbeitszeit auf unter 50 Prozent nur „bei Vorliegen eng gefasster Gründe“ zu gewähren, zum Beispiel wegen der Betreuung kleiner Kinder.

Der Expertenkommission hatte erklärt, die Teilzeitquote liege im Lehramt mit rund 47 Prozent deutlich über der bei Erwerbstätigen insgesamt (29 Prozent).

„Familiäre, gesundheitliche und organisatorische“ Gründe spielen demnach eine Rolle, etwa wenn Beschäftigte in der Familiengründungsphase sind, aber auch „die Beanspruchung im Unterricht“, hieß es. 

70
Prozent der Lehrkräfte sind Frauen

Auch Verbände und Bildungsgewerkschaften trotz rieten nach der Empfehlung trotz des Lehrkräftemangels davon ab, Teilzeit-Möglichkeiten für Lehrerinnen und Lehrer einzuschränken. Sie befürchten, dass Nachteile besonders für Frauen entstehen und das Gegenteil von dem erreicht wird, was gewollt ist: Mehr Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen. „Eine Politik, die diesen Weg zu gehen versucht, verschlimmert die Lage“, sagte die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, Susanne Lin-Klitzing, den Zeitungen der Mediengruppe Bayern im Januar.

Mit weniger Teilzeitmöglichkeiten würden zwar kurzfristig Mehrkapazitäten geschaffen, aber der Beruf würde ausgerechnet für diejenigen unattraktiver, die ihn derzeit noch am meisten wählten: junge Frauen, ergänzte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger.

Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Arbeitsbedingungen müssen deutlich verbessert werden, um wieder mehr Menschen für den eigentlich wunderbaren Beruf als Lehrkraft zu gewinnen und diejenigen, die jetzt in den Schulen arbeiten, zu zufriedenen Beschäftigten zu machen.“ Ähnlich äußerte sich auch der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand. (lem)

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