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Federschwanz-Stechrochen (Pastinachus sephen) sind sehr tolerant gegenüber der Salinität des Wassers und können Flüsse weit hinaufwandern.

© Colin Simpfendorfer

Räuber der Korallenriffe: Großteil der Hai- und Rochenarten bedroht

Mehr als 130 Arten von Haien und Rochen leben weltweit an Korallenriffen. Etwa 80 von ihnen gelten als bedroht. Dafür gibt es vor allem eine Ursache.

Von Walter Willems, dpa

Fast zwei Drittel der an Korallenriffen lebenden Rochen und Haie sind in ihren Beständen bedroht. Das gelte für mindestens 79 der insgesamt 134 Arten, berichtet ein internationales Forschungsteam nach einer globalen Bestandsaufnahme im Fachblatt „Nature Communications“.

Damit zählen die Knorpelfische zu den gefährdetsten Riffbewohnern überhaupt, ihnen setzt eine ganze Reihe von Einflüssen zu.

„Korallenriffe zählen zu den vielfältigsten Ökosystemen des Planeten und beherbergen mehr als ein Drittel aller Fischarten der Ozeane“, schreibt die Gruppe um Samantha Sherman von der Simon Fraser University im kanadischen Burnaby. Diese Lebensräume seien besonders bedroht, unter anderem durch Umweltverschmutzung, Bebauung der Küsten, Landwirtschaft und Folgen des Klimawandels.

Bullenhaie (Carcharhinus leucas) können über drei Meter groß werden. Die großen Weibchen sind besonders wichtig für die Erhaltung der Bestände.
Bullenhaie (Carcharhinus leucas) können über drei Meter groß werden. Die großen Weibchen sind besonders wichtig für die Erhaltung der Bestände.

© Colin Simpfendorfer

Die mit Abstand größte Bedrohung ist nach der Erhebung jedoch die Fischerei. Sie versorgt dem Autorenteam zufolge mehr als eine halbe Milliarde Menschen mit Lebensmitteln. In vielen Korallenriffen weltweit könne die Vermehrung der Arten jedoch nicht mit dem Schwinden der Bestände Schritt halten, schreibt das Team. Das gelte insbesondere für Knorpelfische, von denen weltweit 134 Arten zumindest zeitweise an Korallenriffen leben.

Rückgänge von Hai- und Rochenbeständen an solchen Riffen sind zwar für viele Meeresregionen wie etwa die Karibik und das Great Barrier Reef dokumentiert, doch nun nahm das Team um Sherman eine globale Bestandsaufnahme vor. Dabei stützten sich die Forscherinnen und Forscher vor allem auf die kürzlich aktualisierte Rote Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN).

Demnach gelten 79 der 134 Hai- und Rochenarten als bedroht. Das entspricht einem Anteil von 59 Prozent. 41 Arten (rund 31 Prozent) gelten als „gefährdet“, 24 Arten (18 Prozent) als „stark gefährdet“ und 14 Arten (knapp elf Prozent) als „vom Aussterben bedroht“. Zu neun Arten liegen keine Daten vor, die Forschenden gehen aber davon aus, dass bis zu zwei Drittel aller an Riffen lebenden Hai- und Rochenarten bedroht sein könnten.

Demnach gelten die Bestände von nur zehn Prozent der Hai- und Rochenarten, für die ausreichend Daten vorliegen, als stabil. Eine Bestandszunahme sei nur für eine einzige der 134 Spezies dokumentiert: den Blaupunktrochen (Taeniura lymma). Insgesamt sind Rochen noch stärker bedroht als Haie.

Die Fische werden unbeabsichtigt als Beifang gefangen, oder gezielt für Fleisch, Leder oder Medizinprodukte gejagt. Besonders gefährdet das die Arten, die über große Strecken wandern oder die besonders groß werden. So sind 76 Prozent jener Arten bedroht, die nur vorübergehend an Riffen leben, im Vergleich zu 44 Prozent der dauerhaften Riffbewohner. Und 20 jener 23 Spezies, die mehr als drei Meter lang werden können, gelten als „stark gefährdet“ oder „vom Aussterben bedroht“.

Große Fische besonders gefährdet

„Dauerbewohner, darunter hauptsächlich am Meeresgrund lebende Haie und Rochen, verstecken sich oft in Strukturen der Korallenriffe“, erläutert das Team. Dort seien sie gut geschützt. Wandernde Arten dagegen gerieten oft in Fischernetze. Sehr große Arten haben demnach besonders häufig ausgedehnte Lebensräume, und damit steige die Wahrscheinlichkeit, dass sie durch ungeschützte Meeresareale streiften. Zudem sei ihr Fang für Fischer im Vergleich zu kleinen Arten besonders lukrativ. Hinzu kommt, dass sich große Arten eher langsam vermehren, ihre Populationsverluste also schlechter wieder ausgleichen können.

Neben der Fischerei setzen den Knorpelfischen auch die Zerstörung und die Verschmutzung der Lebensräume zu, Störungen durch Landwirtschaft und Aquakultur sowie Tourismus und Klimawandel. Besonders stark bedroht sind Haie demnach im Westatlantik, Rochen dagegen in Asien und im südöstlichen Afrika.

„Überfischung ist die Hauptursache für den Rückgang von Beständen und hat in einem sehr kurzen Zeitraum (d.h. in den vergangenen 50 Jahren) dramatische Einbrüche verursacht“, bilanziert das Team. Die Fischerei müsse dringend stärker kontrolliert werden, zudem müsse es mehr Meeresschutzgebiete geben.

Andernfalls bedrohe der Wegfall der Arten zunehmend die Korallenriffe als Ökosysteme. Denn Haie und Rochen kontrollierten die Primärproduktion der Riffe und sorgten auch durch die Aufnahme von Organismen und ihre Ausscheidungen für eine großflächige horizontale und auch vertikale Verteilung von Nährstoffen.

„Ohne großangelegte Maßnahmen zur Besserung des Status von Haien und Rochen an Korallenriffen werden die hier berichteten Rückgänge der globalen Bestände weitergehen“, mahnt die Gruppe. Das habe „zunehmend schlimme Folgen für die Gesundheit der Korallenriff-Ökosysteme und der davon abhängenden Küstenbewohner“.

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