
© dpa/Christophe Gateau
Steigender Cannabiskonsum : Gefährdet Kiffen die Fruchtbarkeit von Frauen?
Bei Männern ist es klar: Cannabiskonsum beeinträchtigt ihre Spermien. Jetzt zeigt eine Studie an über 1000 Frauen, dass der Inhaltsstoff THC auch die Entwicklung von Eizellen verändern kann.
- Artur Mayerhofer
- Wolfgang Paulus
- Evelyn Telfer
Stand:
Cannabis-Konsum steht schon länger im Verdacht, die Fruchtbarkeit von Frauen einzuschränken, etwa aufgrund der Wirkung der Inhaltsstoffe auf den Hormonhaushalt. Doch offenbar beschleunigt Tetrahydrocannabinol (THC), eine der psychoaktiven Cannabis-Substanzen, auch das Heranreifen der Eizellen.
Das erhöht die Wahrscheinlichkeit für Fehlverteilungen der Chromosomen, was eine aktuelle Untersuchung der Eierstöcke von rund 1000 Frauen zeigt. Diese hatten am CReATe Fertility Centre in Toronto, Kanada, eine künstliche Befruchtung durchführen lassen.
Für unsere Rubrik „3 auf 1“ ordnen drei Experten dieses Ergebnis ein.
Die Ergebnisse sind beunruhigend
Es ist schon länger und allgemein bekannt, dass THC die männliche Fruchtbarkeit einschränkt, durch Veränderungen der Spermienform, ihrer Beweglichkeit und der Methylierung ihrer DNA. Die aktuelle Studie zeigt nun, dass THC auch die Eizellen erreicht und deren Teilung und Entwicklung beeinträchtigen kann, wodurch sich die Chancen auf die Bildung gesunder Embryonen möglicherweise verringern.
Frühere Studien haben gezeigt, dass Cannabiskomponenten wie THC in der Flüssigkeit vorhanden sind, die die Eizellen im Eierstock umgibt – die Follikelflüssigkeit. Wissenschaftler vermuten seit langem, dass diese Komponenten die Fruchtbarkeit beeinträchtigen könnten.
Die aktuellen Studienergebnisse geben Anlass zu großer Sorge, lassen jedoch keine Rückschlüsse darauf zu, in welchem Maße der Konsum von Cannabis unbedenklich ist. Weitere Untersuchungen mit größeren Patientinnengruppen und Eizellen, die nicht durch andere Faktoren beeinflusst sind, sind erforderlich. Nur so kann festgestellt werden, ob die Risiken von der Höhe der THC-Dosis oder von der Häufigkeit des Cannabiskonsums abhängen, und inwieweit sich das auf die Schwangerschaft und die Lebendgeburten auswirkt.
Es bleiben offene Fragen
Die Ergebnisse der aktuellen Studie an isolierten menschlichen Eizellen zeigen negative Einflüsse von Tetrahydrocannabinol (THC) auf die Eizellen. Daher ist von einem prinzipiell möglichen Risiko für die Fruchtbarkeit von Frauen bei Cannabiskonsum auszugehen.
Unklar bleibt aber der genaue Wirkmechanismus von THC. Untersuchungen an einer Zellart – wie hier an Eizellen in einem klinischen Setting der IVF – geben nur bedingt Aufschluss über eine systemische Wirkung und somit die Bedeutung der Ergebnisse im Alltag. Es stellt sich die wichtige Frage, wie Cannabis auf den gesamten Eierstock, vor allem auf die Follikel und Eizellen während der Reifung wirkt. Das ist erstaunlicherweise kaum untersucht worden.
Die Ergebnisse anderer Arbeiten legen jedoch einen Einfluss von Cannabinoiden (wie THC oder Cannabidiol) auf Zellen im Eierstock nahe, die Eizellen versorgen, sogenannte Ammenzellen. Ob THC im Körper der Frau Einfluss auf das Heranreifen und Zugrundegehen von Follikeln im Eierstock oder auf den Eisprung hat und welche Konzentrationen dafür nötig sind, bleiben offene Fragen.
Untersuchte Kohorte wahrscheinlich nicht repräsentativ
Die Schlussfolgerung der Studie, Cannabiskonsum könnte die Fertilität der Frau negativ beeinflussen, ist ernst zu nehmen. Aber weitere Arbeiten müssen folgen. Die untersuchte Kohorte ist wahrscheinlich nicht repräsentativ für die allgemeine Bevölkerung. Patientinnen mit unerfülltem Kinderwunsch und In-Vitro-Fertilisation sind durchschnittlich älter und haben häufiger genetische Belastungen. Möglicherweise verursacht THC bei jungen, genetisch unauffälligen Frauen weniger Effekte im Hinblick auf die Reproduktion.
Es wird schon länger angenommen, dass Marihuanakonsum sich negativ auf die weibliche Fruchtbarkeit auswirken kann. Die genauen Mechanismen waren jedoch bislang nicht geklärt. Eine THC-bedingte Störung der Verteilung der Chromosomen bei der Zellteilung könnte zu mehr Embryonen mit veränderter Chromosomenzahl führen. Viele solcher Schwangerschaften enden als Frühaborte.
In welcher Größenordnung beziehungsweise Konsumart der Gebrauch von Cannabis sich bewegen muss, um die in der Follikelflüssigkeit gemessenen THC-Werte zu erreichen, ist nicht klar. Dennoch sollten die Studienergebnisse dazu veranlassen, Frauen mit Kinderwunsch auf potenzielle Risiken des Cannabiskonsums hinzuweisen.
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