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Suche nach außerirdischem Leben: Formel für Aliens

Binnen zehn Jahren werden Astronomen Beweise für Leben im All finden – behauptet Sara Seager. Sie beruft sich auf eine neue Gleichung, die sie aus der berühmten "Drake-Formel" entwickelt hat.

Kurz vor dem Ende eines harten Konferenztages ging noch einmal die Sonne auf. Stundenlang hatten die Astronomen auf der Exoplaneten-Konferenz an der Harvard-Universität über die Tücken ihres Geschäfts gesprochen. Über Bahnparameter, Kohlendioxid und darüber, dass ihr hilfreichstes Arbeitsmittel, das Weltraumteleskop „Kepler“, im April kaputt gegangen ist.

Dann trat Sara Seager vom Massachusetts Institute of Technology auf. „Ich werde versuchen, eher unterhaltsam als ernst zu sein“, sagt sie, wie man in einem Internetvideo ihres Vortrags sehen kann. Zur Aufmunterung hatte sie eine Gleichung mitgebracht. Weltraumenthusiasten kennen diese als „Drake-Formel“. Damit lässt sich ausrechnen, wie viele außerirdische Zivilisationen es in unserer Galaxie gibt. Natürlich kannten alle im Saal die Gleichung – aber nicht die Neufassung, die Seager nun präsentierte. Sie gibt an, ob es wahrscheinlich ist, in den nächsten zehn Jahren außerirdisches Leben zu finden. Ergebnis: aber ja!

Seagers Gleichung lässt sich nur verstehen, wenn man die Urformel für Alien-Wahrscheinlichkeiten kennt. Sie wurde ersonnen von dem Radioastronomen Frank Drake, der 1961 eine kleine Tagung in der Provinz West Virginias veranstaltete, die als die Geburtsstunde des „Seti“-Projekts („Search for Extraterrestrial Intelligence“) gilt. Drake setzte sieben Diskussionspunkte auf die Tagesordnung. Sie sollten den Konferenzbesuchern helfen, die Erfolgswahrscheinlichkeit bei der Suche nach außerirdischen Radiosignalen abzuschätzen. Allerdings forderten sechs der sieben Faktoren des Alienorakels eher Fantasie als Forschergeist.

Seti sei eine Religion, die Vorhersage der Drake-Gleichung nicht zu überprüfen, sagen Kritiker. Die Seti-Community dagegen betont, es ginge bei der Formel darum, „den intellektuellen Austausch über das Universum zu stimulieren.“ Allerdings, eindeutige Signale aus den Tiefen des Alls wurden bis heute nicht erkannt, auch wenn im kalifornischen Mountain View fortwährend Radioteleskope in den Himmel lauschen.

Die Drake-Formel dient nach wie vor als Projektionsfläche für Hoffnungen. Ufo-Jünger sagen mit ihrer Hilfe Millionen außerirdischer Zivilisationen voraus. Skeptiker hingegen drehen die Werte so, dass die Menschheit die einzige Zivilisation im All ist. Über alldem schwebt bis heute die Frage, die der Physiker Enrico Fermi bereits 1950 beim Mittagessen mit Kollegen formuliert haben soll: „But where is everybody?“ Wo bleiben all die Außerirdischen, wenn es so viele von ihnen gibt und sie eigentlich genug Zeit hatten, jeden Flecken der Galaxie zu besiedeln?

Frank Drakes Formel zur Berechnung der Alien-Wahrscheinlichkeit.
Frank Drakes Formel zur Berechnung der Alien-Wahrscheinlichkeit.

© TSP

Heute wissen Astronomen weit mehr über das All als noch vor 50 Jahren. Sie schätzen, dass ein Großteil der Sterne in der Milchstraße von Planeten umkreist wird. Und auch der dritte Faktor in der Drake-Formel ist in den Bereich der Wissenschaft gerückt: Mit den Daten von Kepler haben Forscher eine erste grobe Schätzung für die Häufigkeit von Exoplaneten in einer habitablen, also prinzipiell bewohnbaren Zone um Rote Zwergsterne vorgelegt, die kleiner und kühler als die Sonne sind. Demnach könnte 15 Prozent aller Roten Zwerge ein Felsplanet umkreisen, auf dessen Oberfläche flüssiges Wasser denkbar ist.

Zeit für eine Neufassung der Drake-Formel, findet Seager. Damit will sie ihrer Zunft Mut machen, indem sie die Erfolgsaussichten bei der nächsten Etappe der Planetenjagd abschätzt. Innerhalb der nächsten zehn Jahre wollen die Forscher Sauerstoff, Wasserdampf und Methan in einer Exoatmosphäre nachweisen – Spuren des Lebens.

Und hier kommt die neue Formel ins Spiel. Auf zwei Planeten im Orbit Roter Zwergsterne könne man im nächsten Jahrzehnt Leben entdecken, schätzt die Kanadierin. Möglich machen soll es der Kepler-Nachfolger „Tess“, an dem Seager beteiligt ist, und das „James-Webb-Weltraumteleskop“. Tess soll ab 2017 mit vier kleinen Teleskopen den ganzen Himmel nach erdgroßen Planeten in der habitablen Zone eines Roten Zwergs absuchen. Das James-Webb-Teleskop soll bei einigen besonders geeigneten Kandidaten die Atmosphäre untersuchen.

Seagers Schätzung gilt allerdings nur unter einer sehr optimistischen Annahme: „Ich glaube, dass sich auf Planeten mit Wasser letztendlich auch Leben entwickelt“, sagt sie. Und benennt damit den Punkt, der schon bei der historischen Drake-Gleichung am umstrittensten war. Vielleicht braucht Leben eben doch mehr, zum Beispiel einen Planeten mit stabiler Umlaufbahn, Plattentektonik, einem Mond, einem Gasriesen vor der Haustür, der Meteroiten ablenkt und all den anderen Faktoren, welche die Kritiker der Seti-Jünger auflisten.

Hoffen dürfen die Astronomen natürlich trotzdem, auf eine erfolgreiche Zukunft mit Tess und James Webb. Und wer weiß, vielleicht fangen die Seti-Teleskope in Kalifornien doch noch ein verräterisches Signal unserer Nachbarn ein.

Robert Gast

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