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Studierende arbeiten mit ihren Laptops in einer Unibibliothek.

© Christophe Gateau/picture alliance/dpa

Veraltete Mitarbeiter-Verordnung: Senat blockiert Festanstellung an Berliner Unis

Dauerstellen für Postdocs sind an strenge Vorgaben geknüpft: Vor allem müssen sie viel lehren. Das muss sich ändern, wollen die Unis attraktiv bleiben. Doch der Senat blockiert.

Ein Gastbeitrag von Reinhard Flogaus

Die Berliner Hochschulen sind derzeit höchst alarmiert. Mitten in einem Wahlkampf mit unsicherem Ausgang drohen sie Opfer einer Blockade vonseiten der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichstellung zu werden, einer Blockade, die ihre Arbeitsfähigkeit bald erheblich einschränken könnte. Dabei ist schon seit langem klar, dass ein dringender Handlungsbedarf besteht. Was ist passiert?

Die Neufassung des Berliner Hochschulgesetzes von 2021 sieht vor, dass promovierte wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf haushaltsfinanzierten Stellen eine Anschlusszusage für eine unbefristete Beschäftigung bekommen, sollten sie sich erfolgreich weiterqualifiziert haben. Diese Zusage für Post-Doktoranden soll die erreichte wissenschaftlichen Qualifikation „angemessen berücksichtigen“.

Da diese Regelung ab 1. Oktober gelten wird und von der Ausschreibung einer Stelle bis zu ihrer Besetzung in der Wissenschaft oft viele Monate vergehen, müssen bereits jetzt die Voraussetzungen geschaffen werden. Hierzu müssen unbefristete Mitarbeiterstellen im Stellenplan vorhanden sein oder neu eingerichtet werden. Und genau hier hakt es, denn Umwandlungen von den bislang befristeten Qualifikationsstellen in Dauerstellen werden von der Senatsverwaltung seit Jahren nur in Ausnahmefällen genehmigt.

Die Vorgaben sind völlig veraltet und realitätsfern

Dass befristete nicht in unbefristete Stellen umgewandelt werden können, begründet die Senatsverwaltung regelmäßig mit der sogenannten „Mitarbeiterverordnung“ aus dem Jahr 1994. Diese in mehrfacher Hinsicht völlig veraltete Verordnung benennt als Daueraufgaben für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur die Betreuung von Großgeräten oder Sammlungen sowie Tätigkeiten in der Krankenversorgung. Das geht völlig an der heutigen universitären Realität vorbei. Deshalb fordert die Landesvertretung Akademischer Mittelbau in Berlin auch schon seit langem – und bislang vergeblich –, dass die „MaVo“ außer Kraft gesetzt oder überarbeitet wird.

Wenn die Hochschulen hingegen wissenschaftliche Dauerstellen mit anderen Aufgaben für Promovierte einrichten wollen, erlaubt die Senatsverwaltung inzwischen in der Regel nur noch die Umwandlung in eine 2011 neu geschaffene Stellenkategorie mit einer extrem hohen Lehrverpflichtung: Wer als Postdoc eine solche Stelle hat, muss mehr als viermal so viel lehren wie ein Kollege auf einer befristeten Qualifikationsstelle und mehr als doppelt so viel wie auf einer normalen Dauerstelle in Forschung und Lehre.

Marktökonomisch ist diese Position der Verwaltung zwar nachvollziehbar, denn sie geht mit einer noch höheren Lehrkapazität einher und würde für das Land  noch mehr Studienplätze bei praktisch gleichen Personalkosten schaffen. Doch sie greift massiv in die Kompetenzen der Hochschulen ein und ist realitätsfern, weil ausgerechnet diese auch jetzt schon sehr unattraktiven Stellen mit einer extrem hohen Lehrverpflichtung sich absolut nicht als Perspektive für Nachwuchswissenschaftler eignen, die sich im Anschluss an eine Promotion bereits mehrere Jahre weiterqualifiziert haben. Ihnen bliebe nämlich kaum mehr Zeit für Forschung. „Angemessen“ im Sinne des Gesetzes wäre eine solche Hochdeputatsstelle gerade nicht.

Sollte die Wissenschaftsverwaltung daran weiter festhalten, würde das Ziel, an den Berliner Hochschulen auch für den Mittelbau attraktive Berufsperspektiven anzubieten, faktisch zunichte gemacht. Es wäre dann nicht mehr möglich, talentierte promovierte Nachwuchswissen­schaftler für die Berliner Hochschulen zu gewinnen. Dies könnte zum Verlust des Exzellenzstatus führen und würde denjenigen recht geben, die die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes für verfassungswidrig halten, weil dadurch die Handlungsfähigkeit und Wissenschaftsfreiheit der Hochschulen erheblich eingeschränkt wird.

Deshalb müssen die Senatorin und ihre Staatsekretärin umgehend dafür sorgen, dass das auch von ihrer Partei mitbeschlossene Gesetz tatsächlich umgesetzt werden kann und die Berliner Hochschulen auch nach dem 1. Oktober noch promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur Weiterqualifikation einstellen können. Das heißt, es muss wieder möglich werden, Qualifikationsstellen in Dauerstellen umzuwandeln, die ein normales Lehrdeputat haben. Alles andere wäre ein Bärendienst für Berlin und ein Desaster für die Hochschulen.

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