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Hatton und Kollegen unterteilten den Körper in 60 Gewebesysteme, die sie weiter in 400 Hauptzelltypen und diese in 1264 separate Zellgruppen unterteilten.

© Ian A. Hatton

Wenige große und sehr viele kleine: Aus wie vielen Zellen besteht ein Mensch?

Ein Forschungsteam unter deutscher Leitung hat Masse, Größe und Zahl für gut 1200 Zellgruppen des menschlichen Körpers geschätzt – von den kleinsten roten Blutkörperchen bis zu den größten Muskelfasern.

Von Stefan Parsch

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Ein erwachsener Mann mit einem Gewicht von 70 Kilogramm besteht aus etwa 36 Billionen Zellen. Bei einer Frau mit 60 Kilo sind es 28 Billionen und bei einem zehn Jahre alten Kind mit 32 Kilo 17 Billionen Zellen. Das haben Forscher nach der Auswertung von mehr als 1500 wissenschaftlichen Quellen ermittelt.

Sie entdeckten außerdem, dass jede Zellgrößenklasse ungefähr gleich viel zur Biomasse des Organismus beiträgt, weil kleine Zellen besonders häufig und große Zellen besonders selten sind. Die Studie einer Gruppe um Ian Hatton vom Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften in Leipzig ist im Fachjournal „PNAS“ erschienen.

Der menschliche Körper enthält zusätzlich ähnlich viele Bakterien wie menschliche Zellen, nur dass die Bakterien erheblich kleiner sind. Die menschlichen Zellen haben eine Größenverteilung über sieben Größenordnungen, vom winzigen roten Blutkörperchen bis zur viel größeren Muskel-, Nerven- oder Fettzelle. Hatton und Kollegen unterteilten den Körper in 60 gut untersuchte Gewebesysteme, die sie weiter in 400 Hauptzelltypen und diese in 1264 separate Zellgruppen unterteilten.

„Für mehrere Gewebesysteme bietet unsere Zusammenstellung eine viel höhere Auflösung als bisher“, schreiben die Studienautoren. So fanden sie beispielsweise 243 Zellgruppen bei den großen quer gestreiften Muskeln, 244 Zellgruppen bei den Nerven- und Gliazellen im gesamten zentralen und peripheren Nervensystem und 172 Gruppen von Blutzellen.

Die Massenbestimmung verschiedener Gewebe offenbart auch, dass beim modellhaften 70-Kilo-Mann die Leberzellen mit insgesamt 1220 Gramm schwerer sind als die Gehirnzellen mit 1074 Gramm. Am meisten bringen jedoch die Zellen der Skelettmuskeln (21.900 Gramm) und des Fettgewebes (12.400 Gramm) auf die Waage.

Bei der Auswertung der Größe und der Anzahl der verschiedenen Zellgruppen stellten die Wissenschaftler fest, dass sie in einem umgekehrt proportionalen Verhältnis zueinander stehen: Je kleiner die Zelle ist, desto größer ist ihre Anzahl und umgekehrt. Mit wenigen Lücken gilt dies durchgehend für die verschiedenen Größenordnungen menschlicher Zellen. So gibt es etwa wesentlich mehr Blutzellen als Muskelzellen.

Die Forscher sortierten die Zellgruppen nach Größe und Gewicht, doch dies waren nur Durchschnittswerte. Denn auch innerhalb einer Gruppe gibt es eine Größenverteilung, also größere und kleinere Zellen. Diese Größenverteilung ist bei allen Zellgruppen sehr ähnlich, die durchschnittliche Zellgröße spielt dabei offenbar keine Rolle.

Hatton und Kollegen gehen davon aus, dass ihre Erkenntnisse dazu beitragen können, allgemeine Grenzen für die Menge menschlicher Zellen festzulegen und große Unsicherheitsbereiche zu identifizieren. So sei bisher angenommen worden, es gebe etwa 500 Milliarden Lymphozyten, die zu den weißen Blutkörperchen gehören. Nach der aktuellen Studie sind es mit etwa zwei Billionen Lymphozyten wahrscheinlich viermal so viele. „Wir erwarten auch, dass diese Daten zum Verständnis des Proteingehalts und -umsatzes, der Dosimetrie, der Entwicklung von Therapeutika und als Basisreferenz für die Zellbiologie beitragen können“, heißt es in der Studie.

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