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Wenn sich die Hochschule distanziert: Dürfen Unis von ihren Profs abrücken?
Es gibt Äußerungen von Lehrenden etwa zu Corona, die Hochschulen nicht mittragen. Ob eine Distanzierung rechtens ist, bleibt umstritten. Aber ein Weg zeichnet sich ab.
Stand:
Kann eine Hochschule öffentlich vorgetragene Meinungsäußerungen von Professoren oder Professorinnen nicht mittragen, distanziert sie sich per Pressemitteilung. Das war etwa der Fall, als sich Unis in Bielefeld und Regensburg von Juristen distanzierten, die Behauptungen zur Corona-Pandemie mit ihrem Professorentitel dekorierten, ohne dafür professionell qualifiziert zu sein. Oder die Uni Lübeck, die sich von einem Honorarprofessor wegen respektloser Sprüche über Migranten abkehrte.
Die fachfremden Äußerungen am Spieltisch der Meinungen etwa in TV-Talkshows, Social Media oder in Zeitungsinterviews seien mit ihrem Leitbild kritischer Wissenschaft nicht vereinbar, erklären die Hochschulen in solchen Fällen. Sie distanzieren sich von Meinungsbekundungen ihrer Kollegen oder Kolleginnen, um ihr institutionelles Ansehen in der Gesellschaft zu wahren.
Dabei ist das Leitbild von Universitäten allerdings nicht mehr und nicht weniger als ein moralischer Appell und wie die Distanzierung ohne Rechtsfolgen. Diese hat gegenüber disziplinarischen oder arbeitsrechtlichen Maßnahmen freilich den großen Vorteil, unverblümte Gegensätze zu markieren, ohne darüber in einen Rechtsstreit mit dem Gerügten einzutreten. Die Betroffenen hingegen sehen sich gleichwohl in ihrer Meinungs- oder auch Wissenschaftsfreiheit eingeengt.
Die Wissenschaftsfreiheit kommt dem Wissenschaftler als Individuum zu. Was er vertritt, ist weder der Fakultät noch der Universität zurechenbar.
Volker Rieble, Juraprofessor an der LMU München
Wer hat recht – die Universitätsleitungen, die sich distanzieren, oder die Forschenden, die sich nicht abkanzeln lassen wollen? Darüber gehen die Expertenmeinungen auseinander. Der Münchener Rechtsprofessor Volker Rieble kommt zu der Auffassung, dass die Hochschule kein gesetzliches Mandat habe, ihre eigenen Leute „im Wissenschaftsverhalten, bei Meinungsäußerungen oder politischer Betätigung zu überwachen“.
Denn die Wissenschaftsfreiheit komme „allein dem Wissenschaftler als Individuum zu“, betont Rieble auf Anfrage. Was er oder sie vertrete, sei deshalb „weder der Fakultät noch der Universität zurechenbar“. Deswegen „braucht es keine Distanzierung und ist sie nicht zu rechtfertigen“.

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Die Universität Regensburg gibt ein konkretes Lehrbeispiel, wo eine Distanzierung unvermeidlich erscheint. Rektor Udo Hebel stellte im April 2021 in einer Pressemitteilung klar: Medienvertreter verlangten von ihm immer wieder, zu einzelnen „Ablehnungen von rechtlich abgesicherten und medizinisch gebotenen Schutzmaßnahmen“ wegen Corona Stellung zu beziehen.
Es ging etwa um eine Rechtsphilosophin, die die behördlichen Maßnahmen sogar verfassungsrechtlich in Frage stellte. Zeitweilig betrieb sie einen Corona-Blog auf den Webseiten der Uni, den sie nach eigenen Angaben aber mittlerweile dort „abgekoppelt“ habe und privat kaum noch weiterführe.
Unis darf es um „Abwehr von Unredlichkeit“ gehen
Auf dem Hintergrund distanziere sich die Uni ein für allemal „von wissenschaftlich nicht fundierten Aussagen, falls diese durch eine Assoziation mit der Universität eine unangemessene Autorisierung oder unzutreffende Legitimation erfahren“. Dies solle abgewendet werden, ohne dabei Mitarbeitern ihre grundgesetzlich garantierte „persönliche Meinung“ zu verwehren, so Rektor Hebel.
Was aber ist die nötige Rechtsgrundlage für eine solche Distanzierung? Der Bonner Rechtsprofessor Klaus Ferdinand Gärditz will sie jetzt gefunden haben. In einem aktuellen Beitrag über „Wehrhafte Hochschulen“ auf seinem „verfassungsblog.de“ durchmustert er „die Gemengelage“ vielerlei juristischer Gesichtspunkte, um schließlich im Presserecht einen Wegweiser zu erkennen.
Danach müsse die Hochschule den Medien Auskunft über die Redlichkeit und die Abwehr von Unredlichkeit in der Wissenschaft geben, schreibt Gärditz. Das schließe ein, zu erläutern, wobei es sich um rein „private politische Äußerungen“ mit nur vermeintlicher „Amtsautorität“ handele.
Wenn sich die Hochschule von solchen Meinungsäußerungen distanziere, werde sie ihrer besonderen Rolle und „Wissensverantwortung“ in gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozessen gerecht. Damit liefert Gärditz’ Beitrag eine rechtswissenschaftliche Absicherung für die gängige Distanzierungspraxis.
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