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© iStock / Getty Images Plus

Wie politisch sensibel übersetzen?: Ein Text-Checker gibt online Rat

„Race“ ins Deutsche zu übersetzen – das ist gar nicht so einfach. Mit der Online-Plattform „macht.sprache.“ wollen zwei Berliner Literaturwissenschaftlerinnen Hilfe bei vielen politisch sensiblen Begriffen geben.

Von Katharina Rudolph

Es ist zwar ein recht offensichtliches Beispiel, aber gerade deshalb das liebste der beiden Literaturwissenschaftlerinnen Anna von Rath und Lucy Gasser, wenn es um die Frage geht, warum es ihr neues Online-Übersetzungstool überhaupt braucht.

„Gibt man einen Satz mit dem englischen Wort race bei Google Translate ein, wird es in der Regel mit Rasse übersetzt“, erklärt die 36-jährige Gasser, die seit April 2023 Juniorprofessorin für englische Literatur- und Kulturwissenschaften an der Universität Osnabrück ist und wie Anna von Rath in Berlin lebt.

Das aber sei problematisch, weil Rasse im deutschen Diskurs eine andere Bedeutung hat als das englische race. „Hierzulande schwingt etwas sehr Negatives, Biologistisches mit, im Englischen dagegen wird race eher kritisch als soziales Konstrukt verstanden.“

Google Translate oder DeepL sind wenig feinfühlig

Bessere Übersetzungen seien daher, je nach Kontext, zum Beispiel Hautfarbe oder Ethnie. Oder man bleibt gar beim englischen Begriff. Das Problem: Programme wie Google Translate oder DeepL scheren sich wenig darum, ob ein Wort feinfühlig gewählt ist oder nicht.

Wer also Rat sucht, wie er mit politisch sensiblen Begriffen behutsam umgeht, kann das seit 2022 auf „macht.sprache.“ tun, einer Website, die mittels des sogenannten Text-Checkers schnelle und unkomplizierte Hilfe beim Übersetzen zwischen Deutsch und Englisch bietet.

Anders als bei herkömmlichen Tools erhält, wer bei macht.sprache etwa einen deutschen Text in den Text Checker kopiert, nicht dessen englische Fassung, sondern nur eine farbliche Markierung potenziell problematischer Begriffe. Fährt man mit der Maus über das Wort, spuckt die macht.sprache-Datenbank (die bisher mit rund 200 Begriffen gefüllt ist und langfristig um weitere Sprachen erweitert werden soll) knappe Vorschläge für Übersetzungen aus, per Klick gibt es ausführlichere Informationen.

Anna von Rath und Lucy Gasser haben die Plattform „macht.sprache.“ gegründet.
Anna von Rath und Lucy Gasser haben die Plattform „macht.sprache.“ gegründet.

© Michelle Rue

Kürzlich wurden die beiden Gründerinnen durch die Bundesregierung als Kultur- und Kreativpilot*innen Deutschland geehrt. „So eine Auszeichnung ist toll, weil wir dadurch mehr Sichtbarkeit bekommen“, erzählt Anna von Rath, die als Diversity-Trainerin, Übersetzerin und Dozentin an der Universität Potsdam arbeitet. Es sei schließlich ein ziemliches Nischenthema, sich mit politisch sensibler Sprache in Bezug auf Übersetzungen zu beschäftigen.

Erzwungen wird nichts, jeder kann Empfehlungen geben

Wer das Tool jedoch einmal getestet hat, dem wird schnell klar, was natürlich auch von Rath und Gasser wissen: dass es hier so nischig im Grunde gar nicht zugeht. Denn von macht.sprache profitiert eigentlich jeder, der einen informierten, fundierten und bewussten Umgang mit Sprache sucht. Das Tool zwingt dabei nichts auf, sondern ist eine offene Plattform, die Empfehlungen ausspricht, dem Austausch dient und von ihren Erfinderinnen als „work in progress“ verstanden wird.

Grundlage von macht.sprache ist Crowdsourcing. Jeder kann zu neuen Begriffen oder Übersetzungsoptionen Informationen einspeisen, so ist es gewünscht. Kuratiert wird die Plattform von den beiden Frauen. Sie verfassen Begriffsdefinitionen und überprüfen Kommentare auf Schlüssigkeit und ihren Ton.

„Uns ist wichtig, dass es mit macht.sprache diesen einen Ort gibt, an dem gemeinschaftliches Wissen zusammengetragen wird, damit sich nicht alle erst mal zwanzig Bücher ins Regal stellen und ewig recherchieren müssen“, so von Rath.

Sie und Gasser haben da ihre ganz eigenen Erfahrungen gemacht. 2019 gründeten sie ein Online-Literaturmagazin, auf dem Rezensionen und Essays zu postkolonialer Literatur erscheinen. Weil dort alles zweisprachig ist, müssen sämtliche Texte übersetzt werden – und da stießen die beiden bei bestimmten Begriffen an ihre Grenzen. Lösungen fanden sie im kreativen Austausch miteinander. Und ihnen wurde klar, dass sie nicht die einzigen sind, die sich ab und an schwertun. „Wir wollten dann möglichst viele Gesprächspartner einbeziehen, um vielfältige Lösungen zu finden. Daraus ist macht.sprache geworden.“

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