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Bachelor: Wo die Lehre billig ist

Deutschland strengt sich bei der Vereinheitlichung der Studienabschlüsse zu wenig an.

Eine echte europäische Studentin sitzt immer auf ihrer gepackten Reisetasche. Sie fühlt sich an der Uni Bergen so wohl wie an der Uni Prag, kann mit ihren Kommilitonen in Slowenisch so gut diskutieren wie in Ungarisch und hält bereits Ausschau nach einem Job, mit dem sie sich für Europa nützlich machen kann. Solche Studierenden gibt es schon. Als Europas Wissenschaftsminister vor acht Jahren in Bologna beschlossen, bis 2010 einen „europäischen Hochschulraum“ zu schaffen, wollten sie aber allen ein Studium ohne Grenzen eröffnen.

Nun haben die Minister in London Zwischenbilanz gezogen – ohne Euphorie. Viele der 46 am Bologna-Prozess beteiligten Staaten haben noch lange nicht auf die neuen Studienabschlüsse umgestellt: In sechs bis acht Semestern soll ein berufsbefähigender Bachelor erreicht sein, in weiteren zwei bis vier Semestern der Master. Auch fehlt vielen Hochschulen noch Vertrauen in die Mobilität. Die Hälfte der aus dem Ausland zurückkehrenden Studierenden sagt, ihre Uni erkenne im Gastland erbrachte Leistungen nicht an. Bestätigt fühlen können sich solche ängstlichen Unis allerdings, weil es tatsächlich noch an der Qualitätskontrolle der Studiengänge hapert.

In Deutschland strebt erst knapp die Hälfte aller Studienanfänger den Bachelorabschluss an. Und um auf Hürden zu stoßen, müssen die Studierenden nicht erst ins Ausland gehen. Berliner Bachelor können bereits am Versuch scheitern, Kurse an einer Nachbar-Universität zu belegen, hat im vergangenen Jahr der damalige Wissenschaftssenator kritisiert. Denn jede Hochschule halte ihre stark spezialisierten und verschulten Angebote für unvergleichlich und bremse die akademische Neugier so schon an der Haustür.

Für Deutschland geht es bei Bologna allerdings um weit mehr als um Mobilität. Es geht um die größte Studienreform seit 40 Jahren. Bisher haben die Unis die Studierenden in kaum studierbare Studiengänge gesteckt. Die Folge waren Abbrecherquoten von bis zu 80 Prozent und überlange Studienzeiten. Endlich sind die Unis gehalten, ihre Studiengänge völlig neu zu entwerfen: die Kurse inhaltlich abzustimmen und fachübergreifende Fertigkeiten zu berücksichtigen. So ließe sich in drei Jahren mindestens so viel lernen wie vorher in vier. Anders, als viele Studierende meinen, stößt dieses Programm auch bei der Wirtschaft auf große Zustimmung.

Allerdings haben manche Hochschulen die Chance noch nicht ergriffen. Sie etikettieren die alten Studiengänge einfach um wie Supermärkte das Gammelfleisch. Auch wenn „Bachelor“ draufsteht, sind die Lehrpläne dann vollgestopft und schlecht durchdacht.

Aber nicht allein von den Unis hängt vieles ab. Die deutsche Politik will die Reform kostenneutral umsetzen. Das aber ist unmöglich. Ein Bachelorstudium kann in Massenkursen nicht gelingen. Immer häufiger beschränken die Hochschulen deshalb den Zugang, verknappen also die Plätze – trotz der neuen Studentenwelle.

Ebenfalls aus Kostengründen haben die deutschen Politiker den Bachelor zum Regelabschluss erklärt. Nur die Besten sollen in den Master dürfen. Die große Mehrheit der Bachelorstudierenden will aber den Master aufsatteln, wie Umfragen zeigen. Es ist unfair, hier Chancen einzuschränken. Auch wegen des demografischen Wandels hat Deutschland ein großes Interesse an möglichst vielen gut ausgebildeten Absolventen. Durchaus auch an solchen mit nur mittleren Abschlussnoten.

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