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Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) rechtfertigt die gewachsenen Rüstungsgeschäfte.

© Reuters/Hannibal Hanschke

Update

Deutsche Rüstungsindustrie: Gabriel verteidigt gestiegene Waffenexporte

Der Wirtschaftsminister wollte die Rüstungsexporte reduzieren - doch 2015 haben sie sich fast verdoppelt. Sigmar Gabriel macht dafür Altlasten der Vorgängerregierung verantwortlich.

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat einen massiven Anstieg der deutsche Rüstungsexporte eingeräumt. In der "Süddeutschen Zeitung" wies er jedoch den Vorwurf zurück, mit seiner Politik zur Reduzierung von Waffenlieferungen gescheitert zu sein. Gabriel verwies auf nicht wiederrufbare Genehmigungen der schwarz-gelben Vorgängerregierung und politisch unproblematische Exporte an Verbündete. Auf der anderen Seite sei der Export von Kleinwaffen stark gesunken. Aus der Opposition kam massive Kritik.

Laut "Welt am Sonntag" sind die deutschen Rüstungsexporte 2015 auf den höchsten Stand seit Jahren gestiegen. Das geht nach Informationen der Zeitung aus dem jüngsten Rüstungsexportbericht hervor, den das Kabinett am Mittwoch beschließen will. Danach wurden im vergangenen Jahr Einzelgenehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern in Höhe von 7,86 Milliarden Euro erteilt.

Im Vergleich zum Vorjahr hat sich das Auftragsvolumen damit fast verdoppelt. 2014 hatte die Regierung lediglich Exporte im Wert von 3,97 Milliarden Euro genehmigt, ein Jahr zuvor 5,85 Milliarden. Damit ist die Summe nochmals höher als zuletzt erwartet. Im Februar hatte Gabriel unter Berufung auf vorläufige Berechnungen eine Exportvolumen von 7,56 Milliarden Euro genannt.

Zur Begründung verwies Gabriel in der "Süddeutschen Zeitung" auf eine Reihe von Sonderfaktoren für ein "erheblich gestiegenes Gesamtvolumen" der Rüstungsausfuhren. Dahinter steckten noch von der schwarz-gelben Regierung erteilte Lieferzusagen wie zum Beispiel für Kampfpanzer an Katar, "die ich leider nicht rückgängig machen kann". Das Volumen der Lieferung in das Emirat, das in den Bürgerkrieg in Jemen involviert sein soll und wegen seiner mutmaßlichen Unterstützung für die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in der Kritik steht, beläuft sich auf rund 1,6 Milliarden Euro.

Mehr als 12.000 Anträge auf Ausfuhren für Rüstungsgüter wurden 2015 genehmigt.
Mehr als 12.000 Anträge auf Ausfuhren für Rüstungsgüter wurden 2015 genehmigt.

© Peter Steffen/dpa

Zu Buche schlagen auch vier Tankflugzeuge im Gesamtwert von 1,1 Milliarden Euro, die an den Bündnispartner Großbritannien gingen. Deren Lieferung sei völlig unproblematisch, betonte der Wirtschaftsminister. Als Erfolg hob er hervor, dass es gelungen sei, den Export von Kleinwaffen wie Maschinengewehre und Panzerfäuste auf den niedrigsten Wert seit 15 Jahren zu senken. "Diese Waffen sind besonders gefährlich, denn sie sind die Waffen der Bürgerkriege", sagte Gabriel. Dem Bericht zufolge ging das Exportvolumen bei Kleinwaffen von 47 auf 32 Millionen Euro zurück.

Kritik der Opposition

Die Rüstungsexpertin der Grünen, Agnieszka Brugger, warf Gabriel Versagen vor. Der Verweis auf Genehmigungen der Vorgängerregierung sei eine billige Ausrede, da die Regierung ein Rüstungsgeschäft wie das mit Katar stoppen könne, auch wenn damit Schadenersatzansprüche verbunden seien. "Ich finde es weniger schlimm, Schadenersatz zu leisten, als ein Land zu beliefern, das gerade Krieg führt", sagte die Grünen-Politikerin der "Süddeutschen Zeitung".

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sprach sich am Sonntagabend derweil für mehr europäische Rüstungsprojekte aus und forderte dafür eine Lockerung der Exportrichtlinien. "Mit unserem Rüstungsexportkontrollregime sind wir nicht europatauglich", sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend in der ARD. Angesichts der Krisen vor der Haustür Europas und der Bedrohung durch den islamistischen Extremismus sei eine gemeinsame Verteidigungs- und Rüstungspolitik dringend notwendig.

Dafür bekam er prompt Gegenwind. "Da meint sich Schäuble wohl selber: nicht europatauglich", schrieb die Grünen-Vorsitzende Simone Peter dem Tagesspiegel bei Twitter.

Zuvor hatte die Linkspartei bereits die Zunahme des Exportvolumens im vergangen Jahr kritisiert. Der außenpolitische Sprecher Jan van Aken erklärte, es zeige sich, dass die Exportkontrolle in Deutschland nicht funktioniere, „das ganze System ist kaputt". Der Bundeswirtschaftsminister habe eine bessere Kontrolle versprochen, nun seien die Genehmigungen ins Gigantische gestiegen.

"Sigmar Gabriels Verrenkungen, die radikale Steigerung der Waffenexporte zu relativieren, sind geradezu verzweifelt", erklärte van Aken. Der Linken-Politiker bezifferte die Rüstungsexporte noch weit höher als der Regierungsbericht. Zu den 7,86 Milliarden Euro müssten noch Sammelausfuhrgenehmigungen im Volumen von 4,96 Milliarden Euro gerechnet werden, weshalb es tatsächlich um ein Volumen von 12,72 Milliarden gehe. Im Jahr 2014 hätten die beiden Posten zusammen 6,52 Milliarden Euro umfasst. (dpa, Tsp)

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