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Der belgische Choreograf und Theatermacher Jan Fabre, hier auf einem Foto aus dem Jahr 2016

© AFP/LOUISA GOULIAMAKI

Sexuelle Belästigung in der Tanzszene: MeToo-Vorwürfe gegen belgischen Choreografen

Erniedrigungen während der Probe und „halbgeheime“ Fotosessions: Mehrere Tänzerinnen und Tänzer erheben Vorwürfe gegen den belgischen Choreografen Jan Fabre.

Von Sandra Luzina

Der Choreograf Jan Fabre ist berühmt für sein Theater der ästhetischen Grenzüberschreitungen. Seit Beginn der MeToo-Debatte wird darüber gestritten, ob manche Praktiken des Bühnen-Provokateurs Fabre nicht als Machtmissbrauch bewertet werden müssen.

Ein überfällige Diskussion, die nun erschreckend an Brisanz gewinnt. 20 Tänzerinnen und Tänzer, die in der Vergangenheit mit dem flämischen Künstler zusammengearbeitet haben, werfen Fabre Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe vor. Der offene Brief, den acht von ihnen namentlich unterschrieben haben, wurde im niederländischen Kunstmagazin „rekto:verso“ veröffentlicht: Die MeToo-Debatte, die vor einem Jahr mit Missbrauchsvorwürfen gegen den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein begann, hat die Tanz- und Performance-Szene erreicht.

„Demütigung ist das tägliche Brot im Probenraum"

Kein Sex, kein Solo: Das war die gängige Praxis in Fabres Antwerpener Theaterlabor Troubleyn, heißt es in dem Brief. Der 59-Jährige soll einzelne Tänzerinnen zu sich nach Hause eingeladen haben, zu „halbgeheimen“ Fotosessions für angebliche Kunstprojekte. Der Theatermacher habe dann die Gelegenheit genutzt, sich den Frauen sexuell zu nähern. Für ihre Gefälligkeiten sei ihnen unter der Hand Geld angeboten worden. Die Foto-Projekte seien eine „versteckte Währung“ in Troubleyn gewesen.

Wer die Annäherungen des Meisters zurückwies, wurde mehr oder weniger subtil bestraft. Fabre soll Tänzerinnen beleidigt und erniedrigt haben, auch während der Proben. Wenn andere dagegen protestierten, wurde sie selber attackiert. „Demütigung ist das tägliche Brot im Probenraum von Troubleyn“, schreiben die Tänzer. „Vor allem die Frauenkörper sind das Ziel von schmerzhaften, oft unverblümt sexistischen Kommentaren.“

Anlass für den Brief war ein Fernsehinterview im Juni, in dem Fabre auf eine Umfrage über sexuelle Belästigung angesprochen wurde, die vom flämischen Kulturminister in Auftrag gegeben worden war. Fabre versicherte, es habe in seiner 30-jährigen Karriere da nie Probleme gegeben. Seine Kommentare seien „immer fair“, aber heute seien die Leute „sensibler“. Die Unterzeichner sehen das anders: Fabre habe „bewusst und jahrzehntelang“ Grenzen überschritten und berichten von Vorfällen, die teilweise schon 15 Jahre zurückliegen. Außerdem habe Troubleyn als Arbeitgeber habe Beschwerden nicht ernst genommen und jahrelang weggeschaut.

Gegenseitiges Einververnehmen: Jan Fabre weist die Vorwürfe zurück

Jan Fabre und Troubleyn weisen die Vorwürfe in einer ebenfalls im Magazin „rekto.verso“ veröffentlichten Erklärung zurück. „Jeder künstlerische Prozess kann schon mal sensible Sphären berühren. Was für den einen Schauspieler oder Tänzer vollkommen akzeptabel ist, ist es für den anderen nicht." Troubleyn folge einer klaren Linie: Alles müsse in gegenseitigem Einvernehmen und Respekt geschehen. "Niemand wird zu Aktionen gezwungen, die ihm oder ihr als unangemessen erscheinen“.
Jan Fabre tritt häufig in Berlin auf, etwa 2015 mit dem 24-Stunden-Marathonstück "Olympus" bei den Berliner Festspielen. Zuletzt war er im März mit „Belgian Rules“ im HAU zu Gast.

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