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Die Veranstalter sprechen von 50.000 Demonstrationsteilnehmern.

© REUTERS/Wolfgang Rattay

Update

Nach Rodungsstopp: Festivalstimmung am Hambacher Forst

Am Hambacher Forst feiern Braunkohlegegner den vorläufigen Rodungsstopp. Tausende strömten in den Wald. Aktivisten riefen zum Bau neuer Baumhäuser auf.

Einen Tag nach dem gerichtlich verfügten Rodungsstopp haben am Hambacher Forst bei Köln mehrere tausend Menschen für den Erhalt des Waldes und den Kohleausstieg demonstriert. Unter wolkenlosem Himmel herrschte entspannte Festivalatmosphäre, die Polizei zeigte anders als in den vergangenen Wochen nur zurückhaltend Präsenz. „Hier sind wirklich Tausende unterwegs, die noch einmal ein deutliches Zeichen setzen wollen“, sagte Greenpeace-Chef Martin Kaiser der Deutschen Presse-Agentur.

Viel war über die Großdemonstration am Samstag gestritten worden. Am Donnerstag verbot die Aachener Polizei die Versammlung aus „Sicherheitsgründen“. An- und Abreise seien in der ländlichen Region nicht für eine solche Menschenmenge zu organisieren. Kein Grund für ein Versammlungsverbot, wie das Verwaltungsgericht Aachen am Freitag entschied. Die Reisewege würden bei der Demonstration „kanalisiert“ wie bei Fußballspielen oder Volksfesten.

Dass sich die Polizei nach der Gerichtsentscheidung auf einen Großeinsatz vorbereitete, war am Samstag schon früh zu sehen. Mannschaftswagen um Mannschaftswagen fuhr in den Hambacher Forst. Trotz des großen Polizeiaufgebots gelang es etwa 100 Aktivisten, in den Tagebau vorzudringen. Der Energiekonzern RWE hielt daraufhin zu ihrem Schutz einen der riesigen Bagger an, die dort eingesetzt werden.

Die Aktivistengruppe „Ende Gelände“ hatte derweilen zum Bau neuer Baumhäuser im Hambacher Forst aufgerufen. „Ende Gelände freut sich über neue Baumhäuser und andere Besetzungs-Strukturen, die heute entstehen“, teilten die Aktivisten am Samstag mit. Tausende strömten vom Demonstrationsgelände in den Wald. Die Polizei konnte noch nicht bestätigen, dass neue Baumhäuser gebaut worden seien. „Aber es sind Tausende von Menschen im Wald“, sagte eine Sprecherin. Den Wald zu betreten, sei seit Ende der Räumungsarbeiten nicht mehr verboten - wohl aber der Bau neuer Baumhäuser.

Mit radikalen Aktionen und Ausflügen in die Grube hatten die meisten Demonstranten an diesem Samstag nichts zu tun. Lisa, eine 22-jährige Musikstudentin aus Köln, sagte: „Heute will ich feiern!“ In den letzten Wochen war sie oft im Wald und erzählt, dass sie „auch Barrikaden gebaut“ und sich an Sitzblockaden beteiligt hat.

Umweltschützer demonstrieren zum Thema „Wald retten! Kohle stoppen!“ mit Traktoren.
Umweltschützer demonstrieren zum Thema „Wald retten! Kohle stoppen!“ mit Traktoren.

© dpa/Christophe Gateau

Lisa war eine von tausenden Demonstranten, die sich auf dem Acker am Rande des Waldes versammelt haben. Eine Zelt- und Wagenstadt ist dort entstanden, jede größere Umweltorganisation in Deutschland zeigt Präsenz. Greenpeace wirbt für den eigenen Ökostromanbieter, Sahra Wagenknechts Sammlungsbewegung versucht mit „Friedensuppe vegan“ Menschen anzulocken. Über der Kundgebung schweben große Luftballons, auf ihnen ist der Erdball zu sehen, mit der Aufschrift, „Kohle stoppen!“.

Bei der Demonstration gehe es aber um viel mehr, sagte Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands. „Es geht um die Frage, ob wir die ökologische Selbstvernichtung der Menschheit verhindern können oder nicht. Wir wollen nicht nur den Kohleausstieg, sondern auch raus aus Öl und Gas.“ Es dürfe nicht sein, dass in ein paar Jahrzehnten gesagt werde: „Wir wussten, dass der Mensch den Klimawandel verursacht, aber wir haben nicht gehandelt.“

Musikalische Einlage am Hambacher Forst.
Musikalische Einlage am Hambacher Forst.

© AFP/Sascha Schürmann

Die Gerichtsentscheidung vom Freitag sei „Rückenwind für die Arbeit in der Kohlekommission“, sagte Greenpeace-Chef Kaiser, der selbst Mitglied der Kohlekommission ist. „Wir haben in den letzten Wochen und Monaten einen friedlichen und bürgerlichen Protest gesehen, der immer, immer größer wurde.“ Dies habe einerseits an den Provokationen von RWE gelegen, aber auch am Verhalten der Politik. Die NRW-Landesregierung habe den Konflikt „eigentlich noch geschürt, anstatt ihn zu moderieren und eine tragfähige Lösung zu finden“.

An der Demonstration am Saum des Hambacher Forstes beteiligten sich am Samstag auch Bauern aus dem Rheinischen Tagebaurevier. Sie fuhren mit ihren Traktoren laut hupend und unter Beifall von Demonstranten an dem Protest-Gelände vorbei. „Energiewende! Stoppt Braunkohle“ stand auf Plakaten oder „Bauern gegen Kohle“. (mit dpa)

"Hambi für Bambi": Kreativer Protest am Hambacher Forst.
"Hambi für Bambi": Kreativer Protest am Hambacher Forst.

© AFP/Sascha Schürmann

Sebastian Weiermann

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