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„Alle Jahre wieder – gleiche Diskussion, gleiche Probleme, keine Lösungen“ : Das hält die Tagesspiegel-Community von einem Böllerverbot
Ist ein generelles Feuerwerksverbot längst überfällig, oder gibt es Kompromisslösungen, die sowohl Feierfreude als auch Sicherheit und Umweltschutz vereinen? So blicken unsere Leserinnen und Leser auf das Böllern zu Silvester.
Stand:
In der Silvesternacht kam es in Berlin erneut zu gravierenden Zwischenfällen mit Feuerwerk: Ein Polizist wurde durch eine Explosion schwer verletzt und musste notoperiert werden, während in Schöneberg die Detonation einer Kugelbombe die Evakuierung eines Wohnhauses nötig machte. Insgesamt verzeichnete die Polizei 400 Festnahmen.
Trotz eines Großaufgebots der Einsatzkräfte kam es zu erheblichen Sachschäden und zahlreichen Verletzungen. Die Ereignisse haben in der Tagesspiegel-Community eine hitzige Debatte entfacht: Wie lässt sich die Sicherheit an Silvester besser gewährleisten? Gehört privates Feuerwerk angesichts der Risiken und Umweltbelastungen überhaupt noch in unsere Zeit? Oder braucht es klare Verbote und neue Regelungen – vielleicht sogar per Volksentscheid? Wir haben eine Auswahl der relevantesten und pointiertesten Leserbeiträge aus der Diskussion zusammengestellt.
Hasemann
Angesichts des brutalen russischen Raketenhagels, der täglich auf die ukrainischen Städte und die zivile Infrastruktur niedergeht, ist die Böllerei bei uns einfach nur noch geschmacklos.
leuchtturm1
In einer Woche ist für die Mehrheit das Thema wieder weg. Für die Verletzten, Traumatisierten, Tiere und Natur wird es länger dauern. In einem Jahr das gleiche Thema und die gleichen Probleme. Andere Länder sind weiter. Wir sind schlicht rückständig. Eine laute Minderheit darf bei uns zu Silvester freidrehen. Gehört vermutlich zu unserer Leitkultur. Alle Umfragen zum Thema deuten eindeutig auf eine laute Minderheit hin und weisen eine demokratische Mehrheit zur Abschaffung des privaten Feuerwerks aus.
sabasaigon
Ich bin gerade in Saigon, Südvietnam, und es gibt an mehreren Orten in der Stadt sehr schönes, langes Feuerwerk. Privat böllert hier (fast) niemand, verboten. Geht auch und erspart vieles.
2010ff
Ein Punkt, der mir jedes Jahr immer mehr aufstößt: Diese Art Silvester als fröhliches Fest des Jahreswechsels zu verkaufen. Ein fröhliches Fest. Ein Fest, bei dem sich Millionen Bürger dieser Metropole am 31. Dezember ab 16, 17 Uhr beim Gang durch die Straßen vorsichtig umschauen, ob nicht irgendein Sprengkörper geflogen kommt.
Was ist denn das für ein Fest? Wenn der Briefkasten brennt, wenn die Mülltonnen angezündet werden? Wo nennt man das Fest? Wenn Rettungskräfte - die Menschen in Not helfen, ihre Leben retten - angegriffen werden. Wer feiert denn so? Das ist so, als würde in einem Schwimmbad, gefüllt mit 200 Personen, von denen 20 oder 30 Leute mit dem Kopf unter Wasser gedrückt werden, von einem großen „Badespaß“ geredet.
Ich habe oft den Eindruck, dass zunehmend immer mehr Menschen überhaupt keine Ahnung - nicht das geringste Gespür - davon haben, was Feiern, Freude und Spaß überhaupt sind. Sie wirken vollkommen vom Weg abgekommen. Und damit meine ich nicht nur diejenigen, die testosterongesteuert Allmachtsphantasien austoben wollen oder sich hinter einer kruden Hass-Ideologie verstecken.
Einen 15jährigen, der es zu Silvester mal so richtig knallen lassen will, kann man durchaus zutrauen, 5 oder 10 Jahre später aus der Idiotie herausgewachsen zu sein. So geschieht es glücklicherweise zumeist. Aber was ist mit denjenigen - längst im „gestandenen Mannesalter“ - die weiterhin so eine pervertiertes Ritual immer noch als „Feier“ verteidigen wollen?
Wohlgemerkt, es geht mir nur um die Anwendung von Sprengstoff in privater Hand. Alles andere sollen jeder machen, wie er es für richtig erachtet. Trinken, kiffen und mit Baströckchen in die Spree springen, ein jeder nach seiner Facon. Aber das pathologische Geballere, dass ist das Gegenteil von „feiern“.
VazquezEleonore
Ich bin gerade in Paris, wo es ein zentrales Feuerwerk gibt, und aus die Maus. Keine Böllerei, alles ruhig, keine verdreckten Straßen, keine Verletzten. Sind die Menschen hier unfrei?
ufer
Wie wäre es mit einer Initiative zu einem Volksentscheid? Beim Rauchen wollte seinerzeit ja auch niemand wahrhaben, dass es mehr Leute gab, die das störte. Erst nach dem bayerischen Volksentscheid zum Rauchen in Bierzelten wurde die Raucherlobby ruhig. Ich finde, ein Volksentscheid gäbe zumindest ein gutes Stimmungsbild wieder und während Corona hat das mit dem Böllerverbot ja auch geklappt
Caldoverde
Ich habe gerade die Petition der Polizeigewerkschaft für ein Böllerverbot unterschrieben. Weil mich nicht nur die tagelange Böllerei nervt, sondern auch die hohe Feinstaubbelastung am 1. Januar und das Leiden der Wild- und Haustiere die ganzen Tage durch. Warum nicht wie anderswo in Europa ein großes öffentliches Feuerwerk pro Stadt/ Bezirk veranstalten und ansonsten ein Verkaufsverbot von Böllern. Hier der Link: https://innn.it/boellerverbot
BiBer
Jedes Jahr aufs Neue die gleiche Diskussion, ob es eine gute Idee ist, das Hantieren mit Sprengstoff in den wenigen Stunden des Jahres zu erlauben, wo der höchste Alkoholkonsum des Jahres stattfindet
Dann machen wir es anders. Es gibt keine Böllerverbotszonen, sondern ausdrücklich ausgewiesene Böllererlaubniszonen.
Tagesspiegel-User frles
agathe
Ich bin mittlerweile auch für ein generelles Verbot. Ich war gestern mit den Öffis je 40 min unterwegs, um zu meinem Zielort und wieder zurück nach Hause zu kommen. Es war die gefühlte Hölle, in der Bahn oder auf den Straßen unterwegs zu sein. Mein Kind war ängstlich und verstört nach diesem „Ausflug“ in die Berliner Silvesternacht.
Ich fühle mich dazu gezwungen, im nächsten Jahr in meiner Wohnung zu feiern. Einladen möchte ich ungern, meine Gäste müssen dann da durch und ist keine Lösung. Ich werde in einer Silvesternacht keinen Schritt mehr vor die Tür setzten. DAS schränkt mich in meiner Freiheit ein!
frles
Okay - dann machen wir es anders. Es gibt keine Böllerverbotszonen sondern ausdrücklich ausgewiesene Böllererlaubniszonen. Ungenutzte Flächen könnte ich mir etliche vorstellen. Zaun drum herum, Eintritt nehmen und einige erste Hilfe Container aufstellen - Zahlung mit Vorkasse. Böllerverkauf nur dort auf dem Gelände am 31. Dezember. Das kann man sogar privatisieren und ein Geschäftsmodell draus machen. Für die nicht selbst böllerenden Menschen gibt es zentrale Feuerwerke gegen die bösen Geister und für Auge und Gemüt und dann ist auch gut.
tiber5
Nein, keinesfalls ein Böllerverbot. Zig Millionen Menschen feiern den Jahreswechsel umsichtig und rücksichtsvoll mit Feuerwerk, schon früh morgens sieht dann die Straße aus, als ob nichts gewesen wäre. Die Probleme konzentrieren sich auf die üblichen Brennpunkte in den Großstädten, das müssen Städte wie Berlin selbst in den Griff bekommen…
Kuno
Die CO2-Steuer steigt, aber wir verpesten auch dieses Jahr aufs neue unsere Umwelt mit Böllern, Kugelbomben(!) und anderem zündbarem Dreck und erschrecken Natur und Mensch - und zwar in immensen Größenordnungen. Das passt nicht zusammen. Ein guter Kompromiss wären öffentliche Feuerwerke, die privaten Dreckschleudern können dann gern verboten werden.
WilliamJamesBlake
Ich bin gegen das Böllern, weil es objektiv betrachtet einfach nichts bringt. Man verbrennt sprichwörtlich Geld. Ich verstehe, dass viele das lieben, ich habe es bis Mitte 20 auch gemocht und wäre enttäuscht gewesen, wenn man es hätte verbieten wollen - vor allem, weil so viele ja eben doch mit Feuerwerk richtig umgehen, wie einige schon zuvor sagten. Nichtsdestoweniger ist es doch absurd, dass wir keine umweltschonende Alternative finden, die weder Mensch noch Tier zusetzt.
Jenen, die sich auf ihre Freiheit berufen, wenn es um das Verbot, sage ich, es ist auch meine Freiheit um 01:00 Uhr ins Bett zu gehen, weil ich am 2. wieder arbeiten und meine innere Uhr im Takt halten muss. Wenn ich im Stundentakt von Knallfanatikern geweckt werden, die auf einem neugebauten Spielplatz der Meinung sind, alles mit Feuerwerk mit sog. „Polenböllern“ zu zerstören, dann ist u.a. meine Freiheit verletzt.
Wenn ich ganz rational an die Sache herangehe, entstehen mehr Nachteile auf Seiten der Böllergegner:innen. Das heißt - rational betrachtet, wäre das Verbot, vielleicht auch nur erst einmal für Großstädte - sinnvoll und effizient!
KW2018
Was ich absolut nicht verstehe und nicht akzeptieren kann. In der EU ist jeder „Pups“ geregelt und reglementiert. Wie kann es denn sein, daß in EU-Mitgliedsstaaten, scheinbar dort legal, Feuerwerkskörper in „Handgranaten Stärke“ hergestellt sowie verkauft werden dürfen und letztendlich hier explodieren?
nocheiner
Warum wird eigentlich alljährlich in den Tagen nach Weihnachten über ein Böllerverbot diskutiert? Nach Silvester bestärken sich die Argumente für ein solches jedes Mal, um dann 11 Monate und 25 Tage das Thema einschlafen zu lassen? Alle Jahre wieder.
miobe
Allein das Wort Kugelbombe sagt schon aus, dass es hier nicht mehr ums Böllern geht. Die meisten knallen friedlich. Doch es reichen ja einige aus, um diese Schäden zu verursachen. Welche Strafen werden da wohl vorgesehen sein? Wenn man der Täter überhaupt habhaft werden kann. Wenn sich solche Typen selbst gefährden, von mir aus.
Aber Leute sitzen friedlich in ihren Wohnungen und dann fliegen die Fenster raus und die Wohnung ist unbewohnbar? Das ist wie Terrorismus, der im Gewand jugendlicher Unschuld mit ein bisschen Knallerei daher kommt. Hat mal jemand an die vielen traumatisierten Kriegsflüchtlinge in Berlin gedacht, die vor Bomben geflohen sind? Die Politik ist hier klar in der Verantwortung. Herr Wegner fragte in seiner Neujahrsansprache, in welcher Stadt wir leben wollen und gab selbst darauf eine reichlich schwammige Antwort.
Ich will in einer Stadt leben, wo nicht die Gewalt einzelner eine Mehrheit ständig in Angst und Unsicherheit versetzt und wo der Rechtsstaat Wirkung und Handlungsfähigkeit zeigt, seine Bürger zu schützen vor solchen asozialen Mitmenschen, denen es egal ist, was für einen Schaden sie anrichten. Endlich das Knallen verbieten, es passt wie vieles andere auch einfach nicht mehr in die Zeit.
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