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Spontan-Aufruf von Luisa Neubauer: Über 2000 Menschen demonstrieren vor CDU-Zentrale in Berlin gegen Aussagen von Merz
Nach umstrittenen Aussagen von Friedrich Merz ruft Luisa Neubauer zu einer Kundgebung auf. Über 2000 Menschen erscheinen vor der CDU-Zentrale – viele von ihnen werfen Merz Rassismus vor.
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Umwelt- und Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat am Dienstag zu einer spontanen Demonstration vor der CDU-Bundesgeschäftsstelle in Berlin aufgerufen. Anlass waren die jüngsten Äußerungen von CDU-Chef und Bundeskanzler Friedrich Merz. Dieser hatte gesagt, es gebe ein Problem mit Migration im Stadtbild. Am Montag wies er Kritik daran zurück. „Ich habe gar nichts zurückzunehmen“, sagte er. Wer seine Töchter frage, werde vermutlich „eine ziemlich klare und deutliche Antwort“ darauf bekommen, was er mit seinen Äußerungen gemeint habe.
In der Spitze hatten sich laut Polizei zwischen 2000 und 2500 Menschen an der Klingelhöferstraße versammelt. Die Veranstalter sprachen von rund 7.500 Teilnehmern. Gegen 19.06 Uhr wurde die Demonstration beendet.
Es wurden die Slogans „Nazis raus“ und „Wir sind das Stadtbild“ im Chor gesungen. Auf Schildern waren Sprüche zu lesen wie „Rassismus ist ein Problem im Stadtbild“, „Töchter für ein buntes Stadtbild“ oder „Wir haben kein Stadtbild-Problem, sondern ein Rassismus-Problem“. Erwartungsgemäß waren überwiegend Frauen anwesend. Trotz ihrer Empörung über die Äußerungen von Merz freuten sich viele Teilnehmerinnen, mit Gleichgesinnten ein Zeichen zu setzen, sagten sie.
„Das ist der Mensch, der unsere Demokratie schützen sollte“
„Ich bin heute hier, weil ich die Aussage von unserem Kanzler hochgradig problematisch und rassistisch fand“, sagte die 28-jährige Merret, die in Friedrichshain wohnt. Merz instrumentalisiere Töchter und Frauen, um „rassistische Hetze“ voranzubringen. „In meinen Augen ist Migration nicht das Problem, sondern das, was unser Land am Laufen hält“, sagte Merret.
Ähnlich sieht es Silke (49), die nebenberuflich in der Burnoutprävention für Frauen arbeitet. „Ich bin hier, weil ich die Aussagen unseres Kanzlers einfach nicht tragbar finde. Dabei ist das der Mensch, der unsere Demokratie schützen sollte“, sagte sie. Jetzt sei der Moment gekommen, um auf die Straße zu gehen, statt zu Hause zu sitzen. Ob sie der Implikation in Merz Stadtbild-Aussage zustimme, dass Migration das zentrale Problem sei? „Nein, das ist für mich Rassismus. Dem kann ich nicht zustimmen“, sagte Silke.

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Antonia, 23 Jahre alt, stört vor allem, wie Merz mit Kritik umgeht. „Ich wünsche mir, dass, wenn er schon so starke Rückmeldungen zu dieser Aussage bekommt, er das nicht so unreflektiert an sich abperlen lässt. Stattdessen sollte er tatsächliches Interesse an den Stimmen von Frauen zeigen“, sagte Antonia.
Die Frage, ob Migration für ihr Sicherheitsgefühl im Alltag eine Rolle spiele, verneinten die Frauen im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Das Problem seien nicht Migranten, sondern Männer im Allgemeinen sowie fehlende Hilfsangebote für Migranten, sagten viele Teilnehmerinnen. Diese Darstellung von Migration zog sich durch die gesamte Demonstration: positiv konnotiert, als Bereicherung für die Stadt.
Vor ihrer Rede auf der Bühne sprach Luisa Neubauer mit dem Tagesspiegel. „Ich bin unfassbar dankbar, mit so vielen Menschen auf der Straße zu stehen, die sagen: ‚Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen’“, sagte die 29-Jährige. „Wenn wir jetzt noch das gesellschaftliche Klima für Friedrich Merz in Sicherheit bringen müssen, machen wir eben auch das“.
Ricarda Lang demonstriert mit
Mehrere Politikerinnen der Grünen nahmen an der Demonstration teil, darunter die Bundestagsabgeordnete Deborah Düring und die ehemalige Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang. „Ich und ganz viele andere junge Frauen haben keine Lust mehr darauf, dass unser Schutz immer dann ausgepackt wird, wenn es darum geht, rechte Narrative wie das ‚Stadtbild‘ von Friedrich Merz zu rechtfertigen“, sagte Lang dem Tagesspiegel.

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Merz spalte das Land, statt der Kanzler des ganzen Landes zu sein, sagte die Grünen-Politikerin wenig später in ihrer Rede auf der Bühne. Wenn er Sicherheitsprobleme dem Stadtbild zuschreibe, schaffe er einen Anspruch, dem er mit demokratischen Mitteln nicht nachkommen könne. „Merz hätte die Möglichkeit gehabt, sich zu erklären. Stattdessen kam ein Augenzwinkern“, rief Lang.
Ähnlich hatte sich Luisa Neubauer in ihrer Ankündigung zur Demonstration geäußert. „Wir sind plusminus 40 Millionen Töchter in diesem Land. Wir haben ein aufrichtiges Interesse daran, dass man sich mit unserer Sicherheit beschäftigt“, sagte die 29-Jährige in einem Beitrag auf Instagram. „Worauf wir gar keinen Bock haben, ist als Vorwand oder Rechtfertigung missbraucht zu werden für Aussagen, die unterm Strich einfach diskriminierend, rassistisch und umfassend verletzend waren.“
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Auch in Kiel hat Fridays for Future eine Demonstration angekündigt – sie soll am Mittwoch zur CDU-Parteizentrale führen.
Merz verteidigt seine Stadtbild-Formulierung
Merz hatte Anfang vergangener Woche gesagt, dass die Bundesregierung frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik korrigiere und Fortschritte mache. „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“
Bereits am Sonntagabend hatte es am Brandenburger Tor eine Kundgebung unter dem Motto „Brandmauer hoch! Wir sind das Stadtbild“ gegeben. Dabei demonstrierten Hunderte Menschen für Vielfalt und gegen Rassismus. Mehrere Redner kritisierten Merz für seine Stadtbild-Aussagen und warfen ihm eine mangelnde Abgrenzung zur AfD vor. (mit dpa)
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