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Tagesspiegel-Kolumnistin Dr. Elisabeth Binder.

© Tsp

Fallstricke des Alltags: ... aber wenn ich das Geschenk schon habe?

Ein Tagesspiegel-Leser hat ein kniffliges Problem: "Neulich habe ich zum Geburtstag ein Buch von einem guten Freund geschenkt bekommen", schreibt er. "Das gleiche Buch hatte er mir schon im Jahr zuvor geschenkt - was nun?" Die Antwort gibt es in der Sonntagskolumne von Elisabeth Binder.

Neulich habe ich zum Geburtstag ein Buch von einem guten Freund geschenkt bekommen. Das gleiche Buch hatte er mir schon im Jahr zuvor geschenkt, aber wieder mitgenommen, weil ich es schon gelesen hatte. Sein Versprechen, mir ein anderes Buch zu besorgen, hatte er wohl auch vergessen. Wie reagiere ich hier richtig? Sage ich ehrlich, dass das Geschenk eine schöne Wahl ist, ich Gleiches aber schon gelesen habe? Oder verschweige ich so etwas lieber, damit ich den Schenkenden nicht in die Verlegenheit bringe, sich um einen Umtausch zu bemühen. Christian, beschenkt

Wer unter den Vergesslichen will schon den ersten Stein werfen? Dass vieles verschludert und verschlampt wird, hat wohl auch mit der grassierenden digitalen Demenz zu tun. Als man an Bushaltestellen noch einfach nur wartete, ohne auf allen Kanälen seine Netzwerke zu pflegen, konnte man sich auch an vergessene Geschenke und andere Versäumnisse erinnern und sich dann einen Knoten ins Taschentuch machen. Solche Zeiten wollen wir nicht zurückhaben.

Na, freust du dich?
Na, freust du dich?

© Kitty Kleist-Heinrich

Das Tribut an die Gegenwart besteht unter anderem darin, Verständnis für diejenigen aufzubringen, die auch mal zu unseren Ungunsten etwas vergessen. Wie ehrlich man ist, hängt auch vom Vertrautheitsgrad ab. Einem sehr engen Freund würde ich den Umtausch durchaus zumuten. Es soll Menschen geben, die verschenken am liebsten Bücher, die sie selber auch gern lesen würden. Sagt dann der Beschenkte, dass er das Buch bereits besitzt, haben sie sich selber ein Geschenk gemacht.

Aber Achtung! Man kann vom Smartphone aus nicht nur Netzwerke pflegen, man kann sich auch sehr schön und sogar akustisch an Dinge erinnern lassen. Das funktioniert noch besser als der Knoten im Taschentuch. Ein zu ersetzendes Geschenk würde ich in der Prioritätenliste der zu erinnernden Dinge weit oben ansetzen und einen besonders schrillen Klingelton dafür wählen. Kennt man den Schenkenden nicht so gut, dass einem die Gabe aus seiner Hand an sich viel bedeutet, dann besteht immer die Möglichkeit, sie bei Gelegenheit weiterzuschenken. Superkorrekt mag dieses Verhalten zwar auch nicht sein. Aber ich fürchte, es ist allein durch weite Verbreitung schon fast legitim geworden.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

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