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Einschussloch in einer Haustür in der Stresemannstraße in Kreuzberg.

© Paul Zinken/dpa

Abou-Chaker-Bruder beteiligt: 13 Schüsse auf drei Männer – Prozess um Clan-Schießerei in Berlin hat begonnen

Auf einem Hinterhof kam es im Dezember zu einer Schießerei im Clanmilieu. Ein Streit um angebliche Spielschulden soll eskaliert sein.

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Als die Polizisten eintrafen, lagen drei Männer aus dem Berliner Clanmilieu schwer verletzt auf dem Boden: Nach einer Schießerei im Dezember 2020 nahe dem Willy-Brandt-Haus wird der Fall seit Donnerstag vor dem Landgericht der Hauptstadt aufgerollt. Angeklagt ist ein 30-Jähriger. Ihm wird unter anderem versuchter Mord in drei Fällen zur Last gelegt.

Der Mann, Oliviero V., wies diesen Vorwurf vor Gericht zurück und berief sich auf eine Notwehrlage. Er sei geschlagen und bedroht worden, erklärte er. Seine Pistole habe er gezogen, weil er keine andere Chance gesehen habe. Er habe die Männer nicht töten wollen und auf die Beine geschossen.

Die drei Männer, die er in der Nacht zum zweiten Weihnachtsfeiertag auf einem Hinterhof an einer Spielhalle im Stadtteil Kreuzberg niedergeschossen haben soll, sind laut Anklagebehörde dem kriminellen Milieu arabischstämmiger Großfamilien zuzuordnen. Es handelt sich dabei um einen Bruder von Clan-Chef Arafat Abou-Chaker, Abais C. aus einem bekannten Clan und Veysel Kilic, ein nach der Tat in die Türkei abgeschobener Intensivstraftäter. Der Angeklagte Oliviero V. ist ein in Berlin lebender Italiener und zweifacher Vater.

Er soll "ohne rechtfertigenden Grund, plötzlich und unvermittelt" mit einer von ihm zuvor verborgen gehaltenen Schusswaffe aus kurzer Distanz immer wieder geschossen haben. Die Staatsanwaltschaft geht vom Mordmerkmal der Heimtücke aus.

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Der Angeklagte und die Männer aus dem Clanmilieu trafen sich bei einer Pokerrunde in der Stresemannstraße in der Nähe der SPD-Parteizentrale. Er sei mit Bekannten dort gewesen und habe zunächst an Automaten gespielt, so V. Plötzlich habe ein Mann mit einer Machete vor ihm gestanden und gedroht: „Denkst du, du kannst dich vor mir verstecken?“

Dieser Mann, bei dem es sich um einen Bruder eines Clanchefs gehandelt haben soll, habe von ihm die Zahlung angeblicher Spielschulden von 4000 Euro nach einer Pokerrunde einige Zeit zuvor gefordert. "Aber das Geld stand ihm nicht zu."

Einer der beiden Begleiter des Mannes mit der Machete habe ihn mit einer Pistole bedroht, schilderte der 30-Jährige weiter. Ihm sei angekündigt worden, dass man ihn in einen Kofferraum sperren und mitnehmen werde. "Als diese Drohung kam, habe ich gewusst, ich würde das nicht überleben", sagte der Angeklagte. "Ich hatte Todesangst, Herzrasen und habe gezittert." Ihm sei klar geworden, dass das Trio nicht aufhören werde. "Ich habe meine Waffe aus dem Hosenbund gezogen und mehrfach nach unten auf die Beine geschossen, ich wollte sie verletzen, nicht töten."

Fünf Kugeln auf einen Mann, zwei auf einen weiteren

13 Schüsse feuerte er laut Anklage ab. Fünf Kugeln auf einen Mann, der ihm laut Ermittlungen den Rücken zugewandt hatte, zwei auf einen weiteren. Als die beiden bereits auf dem Boden lagen, soll der 30-Jährige erneut zwei Kugeln abgefeuert haben. Den dritten Mann habe er mit vier Schüssen verletzt, als dieser fliehen wollte. Die Angeschossenen wurden teilweise lebensgefährlich verletzt. Einer dieser Männer soll ebenfalls eine Schusswaffe gezogen und den Angeklagten am Bein getroffen haben.

V. wurde kurz danach in Tatortnähe festgenommen. Er war auf der Flucht zunächst in den nahen Landwehrkanal gesprungen, aus dem ihn Rettungskräfte zogen. Er befindet sich seitdem in Haft. V. ist zwar keine bekannte Größe der Berliner Unterwelt. Er hat jedoch Vorstrafen wegen Diebstahls, Betrugs, Urkundenfälschung sowie Delikten im Straßenverkehr. Wegen gemeinschaftlichen versuchten Betrugs wurde er zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die anderen Delikte wurden mit Geldstrafen sanktioniert.

[Lesen Sie hier mehr zum Fall Veysel K.: Warum war er auf freiem Fuß?]

Einer der Männer, die getroffen wurden, ist der 39-jährige Veysel Kilic. Er ist durchaus eine bekannte Figur im Clan-Milieu der Stadt. Er füllte eine Rolle als Vollstrecker für kriminelle Clan-Mitglieder aus. Dass Kilic überhaupt bei der Pokerrunde dabei sein konnte, dass er mithin auf freiem Fuß war, hat außerhalb der Justiz erstaunt. Denn der 39-Jährige war im September 2020 vom Landgericht Berlin zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Doch unmittelbar nach dem Urteilsspruch im September 2020 ging Kilic nicht in eine Zelle zurück, sondern unbehelligt aus dem Gerichtsgebäude.

Der Prozess wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung und Verstoßes gegen das Waffengesetz wird am 13. September fortgesetzt. Tsp (mit dpa)

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