Berlin: 25 Jahre hinter Gittern
Klaus Lange-Lehngut leitete das größte Gefängnis Deutschlands. Jetzt ist er in den Ruhestand gegangen
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Er hat viele Lebenslängliche kommen und gehen sehen – selbst ist er der Sicherungsverwahrung gerade noch entkommen: Nach 25 Jahren ist Klaus Lange-Lehngut, der Chef der JVA Tegel, gestern in den Ruhestand gegangen. Die Justiz wird ihn vermissen – nicht nur, weil Lange-Lehngut Deutschlands größtes Gefängnis mit ruhiger Hand und weitgehend skandalfrei führte. „Beeindruckt hat mich sein Motto: Nur wer mit den Gefangenen redet, kann sie verändern“, sagte Justizsenatorin Gisela von der Aue beim Abschied.
Natürlich hat der Anstalts-Chef nicht selbst persönlich auf jeden Häftling einwirken können: Rund 1700 Insassen werden an der Seidelstraße hinter einer 1327 Meter langen Mauer mit 13 Wachtürmen gefangen gehalten – in zum Teil drängender Enge. Auf die Überbelegung bei gleichzeitigen Personalabbau hat Lange-Lehngut immer wieder aufmerksam gemacht, vor gestiegenen Aggressionen und drohenden Häftlingsrevolten gewarnt. Zum Ende seiner Amtszeit wurde der Ton des sonst stets so pragmatischen Mannes schärfer. „Das ist unverantwortlich von der Politik“, sagte Lange-Lehngut.
Es ist gewissermaßen ein Traditionshaus, das Lange-Lehngut über zwei Jahrzehnte lang geleitet hat. 1898 nahm die JVA Tegel ihre ersten Gefangenen auf, heute verbirgt sich hinter der hohen Mauer eine Stadt in der Stadt, mit eigener Kirche, Zeitung, Bäckerei, Friseur oder Schlosserei. Es ist verhältnismäßig ruhig geworden an der Seidelstraße, in den 60er Jahren hatte man hier noch fast wöchentlich einen gewalttätigen Zwischenfall registriert. Nicht wenige von Lange-Lehnguts Insassen haben ein Menschenleben auf dem Gewissen, in Tegel sitzen aber auch Dealer, Päderasten und Betrüger aus 60 Nationen, mit langem Vorstrafenregister. „Wer hierher kommt, gehört in kein Mädchenstift“, sagt Lange-Lehngut. Trotzdem: Den Gefangenen ernst zu nehmen, seine Würde zu wahren und jedem seine Chance zu geben – dies hat Lange-Lehngut stets als seine beruflichen Leitlinien bezeichnet.
Seine schwierige Klientel bescherte Lange-Lehngut vor allem ein Problem mit Drogen. „60 bis 70 Prozent“ der Gefangenen sind nach seiner Schätzung von Tabletten, Heroin oder Alkohol abhängig. Dass der Stoff immer wieder an den Kontrollen vorbeigeschleust wird, ließe sich kaum verhindern, sagt Lange-Lehngut. Seine Bilanz klingt eher ernüchternd: „Das Drogenproblem kann man nicht lösen.“ Einen Nachfolger für Lange-Lehngut gibt es noch nicht. Er sagt, dass er seinen Job als Anstaltsleiter „gern“ gemacht, seine Entscheidung „nie bereut“ habe. Jetzt will er mit seiner Frau vor allem auf Reisen gehen. Was einen nach diesem Job nicht weiter wundert.
Im JVA-Shop Tegel, Seidelstraße 41, gibt es am heutigen Samstag von 10 bis 15 Uhr einen Basar, wo Produkte aus den anstaltsinternen Betrieben verkauft werden. Erwartet wird auch die Justizsenatorin Gisela von der Aue.
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