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Berlin: 500 Kurznachrichten kleben auf den Bürgersteigen

Auf Berlins Bürgersteigen wimmelt es von Geschichten. In der historischen Mitte, auf dem Areal der einstigen Schwesterstädte Cölln und Berlin, werfen die am Wochenende beginnenden Ausstellungen zur 775-Jahr-Feier der ersten Erwähnung von Cölln ihre Schatten voraus.

Auf Berlins Bürgersteigen wimmelt es von Geschichten. In der historischen Mitte, auf dem Areal der einstigen Schwesterstädte Cölln und Berlin, werfen die am Wochenende beginnenden Ausstellungen zur 775-Jahr-Feier der ersten Erwähnung von Cölln ihre Schatten voraus. Hier sind es 500 kurze Mitteilungen aus der Welt von gestern, die auf Schablonen gesprüht oder als Folien auf den Bürgersteig geklebt worden sind.

So steht in der Rathausstraße, dass die Stadt bereits im 13. Jahrhundert ihre ersten Angestellten hatte. Neben dem Marktmeister und dem Stadtschreiber zählten auch die berittenen Boten, die Torwächter, der Henker und die Totengräber dazu. Oder dies, am Petriplatz, verhältnismäßig neu: „Hier wurde die letzte Petrikirche 1960 bis 1964 abgerissen. Die Trümmer wurden zerkleinert und für den Straßenbau nach West-Berlin verkauft“.

„Stadt im Mittelalter – Stadt der Vielfalt“ ist das Motto der Jubiläumsfeiern. Und da in Berlin außer einem Rest der Stadtmauer nicht allzu viel vom 13. Jahrhundert erhalten ist, wird mit diesen 500 Kurzmitteilungen an Straßen, auf Plätzen und Bürgersteigen der Sinn fürs Gewesene geschärft und die Neugier darauf geweckt, was hier und da an Gebäuden stand oder an Geschichten geschah.

Die Kunsthistorikerinnen Annette Meier und Viola Goertz haben lange recherchiert, um dann in knapp drei Monaten die Bodentexte mit höchstens je 200 Zeichen aufzuschreiben. „All diese Fakten waren nicht immer einfach zu finden, aber die Entdeckungsreise in die Vergangenheit hat sich gelohnt, die Leute stutzen, bleiben stehen, manche schreiben die Texte ab und die Besucher kommen darüber ins Gespräch“, sagt Goertz. Meier möchte „die damalige Zeit sichtbar machen und zeigen, dass das Mittelalter nicht düster war, sondern lebendig und spannend“. Die Autoren der Kurzmitteilungen haben Bücher gewälzt, Urteile studiert, Experten gefragt, Architekten zu Rate gezogen und Archäologen interviewt. Dann wurden die Schablonen hergestellt und mit weißer Farbe beschichtet, mit dem Segen des Bezirksamtes und im Auftrag von Kulturprojekte Berlin als Veranstalter der 775-Jahr-Feier.

Wer es eilig hat, sollte aufpassen. Wahrscheinlich verpasst er den Bus, denn wer einmal beginnt, die Gehwegplatten zu betrachten, hört so schnell nicht mehr auf. Oder geht nachdenklich seiner Wege. „Hier wurden zänkische Marktweiber an den Pranger gestellt“, steht in der Rathausstraße, und vor der Klosterkirche ist zum Thema Hochzeit zu lesen, dass erst durch den „Bettsprung“ die Ehe gültig war: „Das Paar legte sich bei dieser symbolischen Handlung vor allen Gästen auf das gemeinsame Bett“. Lothar Heinke

Am Donnerstag im Tagesspiegel – die große Beilage zum Stadtjubiläum.

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