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Übergibt eine Schule mit tadellosem Ruf: Jochen Pfeifer der langjährige Leiter des John-Lennon-Gymnasiums.

© Kai-Uwe Heinrich

Abschied eines Berliner Schulleiters: Der Mann, der Ed Sheeran ans John-Lennon-Gymnasium holte

Unter der Leitung von Jochen Pfeifer wurde die Schule in Mitte zu einer der angesehensten Berlins. Wie geht so was? Ein Porträt zu seiner Verabschiedung.

Wer beim Betreten der John-Lennon-Schule auf kreatives Chaos hofft, wird enttäuscht. „Ordnung schafft Vertrauen“, sagt Jochen Pfeifer, wenn der Blick des Besuchers über seinen blitzblanken Schreibtisch huscht. Kein Papierstapel. Nicht mal ein Blatt, das ungezogen herumliegt. Nur ein paar bauhausverdächtige Schreibtischutensilien. Hat das was zu bedeuten?

Ziemlich viel sogar, denn Zufälle gibt es nicht bei diesem Schulleiter, der in seiner Position ein Jackett für ebenso selbstverständlich hält wie Visitenkarten, ein Gästebuch und ein ansprechendes Ambiente beim Elterngespräch. „Ordnung ist eine Präsentation ohne Worte“. Noch so ein Satz, der in den ersten Gesprächsminuten fällt. Oder so einer: „Ein Setting gehört für mich zu einem akademischen Gespräch dazu.“

Pfeifer muss um solche Formulierungen nicht ringen. Sie fließen aus seinem Mund, weil er sie wahrscheinlich hundertfach ausgesprochen hat, denn er ist nicht nur Schulleiter, sondern bildet auch künftige Schulleiter aus.

Zu DDR-Zeiten war nach der 10. Klasse Schluss

Dass Pfeifer weiß, wie’s geht – daran zweifelt wohl keiner in der Stadt. Denn die Entwicklung des John-Lennon-Gymnasiums hin zu einer der angesagtesten Schulen der Stadt war alles andere als ein Selbstläufer. Man vergisst das schnell – jetzt, da die Schule sich vor lauter Nachfrage die besten Grundschüler herauspicken kann.

In seinem früheren Leben war das Lennon-Gymnasium die Polytechnische Oberschule "August Bebel", die ziemlich abgeranzt wirkte in einer Gegend, die ebenfalls abgeranzt war. Zum Abitur ging es hier nicht: Nach Klasse 10 war Schluss zu DDR-Zeiten, und wer Richtung Abitur gehen durfte, musste zur Erweiterten Oberschule „Max Planck“ wechseln.

„Die Eltern haben die Schule mehr geprägt als die Lehrer“

Als die Mauer fiel, war Pfeifer noch Lehrer an der John-F.-Kennedy-Schule in Zehlendorf. 1992 erst kam der gebürtige Rheinländer im Rahmen des üblichen Ost-West-Lehrertauschs in die Schule an der Zehdenicker Straße unweit des Rosenthaler Platzes. „Damals waren viele Sympathisanten des Neuen Forums an der Schule und Leute, die zur Wende beigetragen hatten“, erzählt Pfeifer, und dass Wolfgang Thierses Frau Elternsprecherin war: „Die Eltern haben die Schule damals mehr geprägt als die Lehrer“, glaubt Pfeifer.

In der unruhigen Nachwendezeit wurden Namen gesucht. Straßennamen. Theaternamen. Schulnamen. Überall war das so. August Bebel stand zur Debatte. Die Schüler plädierten irgendwann für Bob Marley. Schwierige Diskussionen. Aber dann gab es da die Musiklehrerin Liese Reznicek, die noch kurz zuvor in der DDR-Frauen-Rockband Mona Lise mitgemacht hatte: Sie brachte John Lennon ins Spiel. Dabei blieb es.

„Ich habe damals unterschätzt, welche symbolische Bedeutung die Namensgebung hatte, aber dann konnte ich die Ernte einfahren“, gibt Pfeifer ganz uneitel zu. Letztlich sei der Name „ein Baustein zum Erfolg der Schule“.

Leistungsorientierung steht ganz vorn

Das wurde allerdings erst später klar. Zunächst ging es um andere Dinge. Zum Beispiel um die Frage, wo die Schule überhaupt hinwollte. Schließlich fiel die Entscheidung gegen ein bestimmtes Fächerprofil und für eine Art Motto, das aus drei Worten bestand: leistungsorientiert, weltoffen, engagiert: „Das hat sich bewährt, weil man es gut mit Leben füllen kann“, sagt Pfeifer im Rückblick.

Manchen Schülern steht die Leistungsbereitschaft zu sehr im Vordergrund. „Das ist ein wahnsinnig getrenntes Lager“ , erzählt Schulsprecherin Linda Schaefer. Immer wieder gebe es darüber Diskussionen und auch Unmut. Allerdings findet sie, dass ja keiner gezwungen werde, auf diese Schule zu gehen. Ihr selbst tue der Druck gut, und sie schätzt ihren Schulleiter dafür, dass er Schüler „sieht und fördert“, dass er auch für viele Schulpartnerschaften den Weg geebnet habe. Gerade war sie in Israel, hat dort gute Kontakte knüpfen können. Wenn die 18-Jährige im Juni Abitur macht, wird Pfeifer schon nicht mehr da sein: An diesem Mittwoch wird er verabschiedet. Bewerbungen für die Nachfolge gibt es längst.

Lehrermangel? Fehlanzeige

Das Feld ist überhaupt ziemlich gut bestellt: Lehrermangel? Fehlanzeige: Selbst in Mangelfächern gibt es genug Kräfte, die von der Schule gehört haben und sich direkt bewerben. Auch bei den Leistungsdaten der Schüler könnte es kaum besser aussehen: Der Notenschnitt im Abitur 2017 lag bei 2,1 – und das, obwohl die Schule keinen Hochbegabtenzug ab Klasse 5 hat. Zum Vergleich: Die frühere Konkurrenzschule im Bezirk, das Max-Planck-Gymnasium, lag 2017 bei einem Schnitt von 2,69 - weit unter Bezirksniveau - und wäre vor ein paar Jahren beinahe abgewickelt worden.

Längst spielt die Lennon-Schule die Rolle der Vorzeigeschule. Indonesische Schulaufsichtsbeamte und Japanische Schulforscher geben sich die Klinke in die Hand, Berliner Gymnasialleiter sehen sich hier die Organisation des Ganztagsbetriebs an, Ed Sheeran gab ein Kurzkonzert auf dem Schulhof, Rennfahrer Louis Hamilton kam, um über Spitzenleistung zu diskutieren, der Beatles-Fanclub traf sich aus naheliegenden Gründen genau hier, und dass Yoko Ono mitsamt ihrem fahrendem Tonstudio 2013 tagelang vor der Schule stand, wundert dann schon niemanden mehr. Also alles märchenhaft?

Nicht ganz, betont Pfeifer. „Es quietscht auch bei uns: Bei Sanierung und Digitalisierung sind wir 20 Jahre zurück. Allerdings bekomme er „massive Unterstützung durch die Eltern, die hier ihre Startups haben“. Alles klar. Und warum ist es so schön sauber an der Schule? „Um 6.15 Uhr sind alle Schmierereien weg“, lautet Pfeifers Ansage an den Schulhausmeister. Ordnung schafft Vertrauen.

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