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Wären mehr Wohnungen gebaut worden, müsste sich der Senat heute nicht mit der Ausgestaltung des Mietendeckels herumquälen. 

© Christoph Soeder/dpa

Änderungsantrag für umstrittenes Gesetz: Grüne wollen Berliner Mietendeckel abschwächen

Der Parteitag der Berliner Grünen am kommenden Sonnabend will Genossenschaften von einer Deckelung befreien. Und fordert mehr Geld für Öko-Sanierungen.

Die Folgen des Mietendeckels abmildern – dieses Ziel verfolgt ein „Änderungsantrag“ für das umstrittene Mieten-Gesetz, den die Berliner Grünen bei ihrem Parteitag am kommenden Sonnabend beschließen wollen. Die Risiken des Mietendeckels für das Klima treiben sie um.

Grüne lehnen Bestrafung von fairen Vermietern ab

Die Grünen wollen die Kosten für mehr Umweltschutz daher „sozial“  abfedern. Auch die Bestrafung fairer Vermieter lehnen sie ab. Zu denen zählen sie die Genossenschaften. Diese sollen nach dem Willen der Grünen sogar ganz von den Regulierungen des Mietendeckels ausgenommen werden.

Dass die Partei den Änderungsantrag annimmt, das glaubt Landesvorsitzender Werner Graf „ziemlich sicher“. Zumal Fraktionschefs und Senatsmitglieder die Korrekturen unterstützen. Ein Beben in der Koalition wird es aber auch nicht geben für den Fall, dass die Änderungen nicht schon in den ersten Gesetzesentwurf eingehen. Denn: „Wir stehen zum Mietendeckel, wollen ihn aber besser machen“, sagt Graf.

Vermieter dürften die Korrekturen begrüßen

Vermieter dürften die Korrekturen, die zentrale Kritikpunkte betreffen, begrüßen. Vor allem Genossenschaften, weil diese „aufgrund ihres Selbstverwaltungs-Charakters und ihrer Gemeinwohlorientierung“ komplett von der Deckelung ausgenommen werden sollen. Damit das nicht gegen das Gleichheitsgebot verstößt, soll jede Wirtschaftseinheit, bei der die Mieter bei Versammlungen über die Höhe der Mieten mitbestimmen können, vom Deckel befreit werden. Solche Voten sind bei Genossenschaften üblich.

Dem Klima zuliebe wollen die Grünen ferner energetische Sanierungen stärker fördern: Wer Kellerdecke oder Dach dämmt oder andere „sinnvolle“ Maßnahmen aus einer „Positivliste“ durchführt, bekommt Geld vom Land, sofern das mehr als ein Euro Umlage kostet.

Ein Euro pro Quadratmeter im Monat darf trotz Deckel auf den Mieter umgelegt werden. Die bisher 50 Millionen Euro Fördermittel im Haushalt sollen auf 100 Millionen aufgestockt werden. Vor allem soll das Verfahren vereinfacht werden: Ein Antrag muss ausreichen für Genehmigung sowie Förderung der Maßnahme.

Besser fortwährend reparieren, als teuer sanieren

Noch lieber wäre den Grünen aber, die Vermieter hielten die Wohnungen regelmäßig in Schuss. „Denn das Herunterwirtschaften von Häusern, bis sie umfassend modernisiert werden müssen und teuer neu vermietet werden können, war bisher das Geschäftsmodell der Mietentreiber“, sagt Graf. Aus Sicht der Grünen „gute“ Vermieter reparierten fortwährend das Nötige. Damit die steigenden Handwerkskosten sie nicht übermäßig belasten, wollen die Grünen die Umlegung des Inflationsausgleichs auf die Mieten schon ab 2021 zulassen – statt ab 2022.

„Mietzuschüsse für Menschen mit geringem Einkommen“

„Für uns gilt, die dringend nötige Steigerung der energetischen Sanierung sozial abzufedern“, heißt es im Antrag für den Parteitag. Deshalb fordern die Grünen „Mietzuschüsse für Menschen mit geringem Einkommen“.

Als „ersten Baustein“ dafür nennen sie das bereits geltende Klimawohngeld. Das bekommen bisher nur Empfänger von Transferleistungen. Und wie geht es weiter, falls die Grünen die Änderungen am Mietendeckel beschließen – wie wird die Fraktion im Abgeordnetenhaus reagieren?

Klima- und Mieterschutz sollen miteinander vereinbar sein

„Wir stehen zum beschlossenen Modell des Mietendeckels, wir wollen aber gerne die Verabredungen, die zur energetischen Sanierung getroffen wurden, auch im Gesetz verankert sehen“, sagt Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek. „Klima- und Mieterschutz müssen miteinander vereinbar gemacht werden.“ Der Antrag sei zustande gekommen, weil auf dem Parteitag der Klimaschutz Thema sei und die Partei bisher zu diesem Aspekt des Mietendeckels wenig diskutiert habe, „der die ganze Stadt beschäftigt“. Auch ein vorgezogener Inflationsausgleich sei wichtig, um kleine, verantwortungsvolle Privatvermieter zu entlasten.

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In Senatskreisen heißt es, in den Koalitionsrunden sei der vorliegende Gesetzesentwurf für alle „bis zur Schmerzgrenze“ ausgehandelt worden. Wer den Kompromiss aufschnüre, öffne die Tür für Änderungswünsche von allen drei Fraktionen. So hatte sich die SPD strikt gegen die Absenkung von Mieten ausgesprochen. Die Linke wiederum hatte noch viel niedrigere Mietobergrenzen gefordert. Die Forderungen seien „Effekthascherei“.

Mit Koalitionsmehrheit sind Änderungen möglich

Weil das Land mit dem Mietendeckel rechtliches Neuland beschreitet, gehen auch die Auffassungen über das verfassungsrechtlich Zulässige auseinander. Dies gilt sowohl für die Gutachten der Rechts- und Verfassungsexperten als auch für die Mitglieder der drei Fraktionen in der Koalition.

Das dürfte gemeinsam getragene Änderungen am Mietendeckel erschweren. Dabei sind diese durchaus möglich, da das Gesetzesverfahren im Abgeordnetenhaus nach dem Senatsbeschluss vor einer Woche gerade erst anläuft. Der Gesetzentwurf wird wohl vom Plenum am 12. Dezember an die Ausschüsse für Stadtentwicklung, für Recht und an den Hauptausschuss zur Beratung weitergeleitet. Möglich wären Änderungen mit der Koalitionsmehrheit also.

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