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Berlin: Aktion rauchfreies Lokal: Gastwirte starten Kampagne

Hotel- und Gaststättenverband wirbt für freiwillige Aktion Senatsfraktionen SPD und PDS streben ein generelles Verbot an

Vor einer Woche ging er das Wagnis erstmals ein. „Liebe Gäste“, schrieb Tim Coughlin auf ein Plakat am Eingang, „sonntags ist im ,Tim’s‘ künftig Nichtraucher-Tag.“ Würden Raucher nun kampfeslustig mit ihren Kippen vor seinem kanadischen Restaurant am Winterfeldtplatz wedeln und seine Muffins boykottieren? „Im Gegenteil“, sagt der Schöneberger Gastronom, „statt Ärger gab es Zuspruch“. Seine ersten Erfahrungen sind so positiv wie die Bilanz des weitgehend flächendeckenden Qualmverbots in den Kneipen und Gaststätten seiner Heimat Kanada. „No smoking“ gilt dort seit etlichen Jahren. „Nirgendwo brachen die Umsätze ein“, sagt Coughlin. Nun wünscht er sich eine entsprechende Regelung für Berlin - und er soll sie bekommen.

„Wir arbeiten mit Hochdruck am Entwurf des neuen Nichtraucherschutzgesetzes“, erklärt die Berliner Drogenbeauftragte in der Senatsgesundheitsverwaltung, Christine Köhler-Azara. Spätestens im Frühsommer solle das geplante generelle Rauchverbot in Restaurants, Cafés, Bars und Kneipen im Abgeordnetenhaus beraten werden. Schon jetzt zeichnet sich eine Mehrheit im Parlament ab. Und der Hotel- und Gaststättenverband prescht nun vor: Kommende Woche will er Berlins Gastronomen mit einem Aufruf gegen den Dunst mobilisieren. Möglichst viele Wirte sollen ihr Lokal freiwillig zum „rauchfreien Restaurant “ erklären.

Hinter dieser Initiative steht allerdings die Hoffnung, vielleicht doch noch ein Qualmverbot verhindern zu können. Denn die Verbandsspitze setzt weiter „auf Freiwilligkeit statt auf Zwang und Sanktionen durch Nikotin-Politessen“, sagt Vizepräsident Klaus-Dieter Richter. Vor allem aus Furcht vor Umsatzverlusten. Eine breite freiwillige Teilnahme würde die Befürworter von Zwangsmaßnahmen schwächen, meint er.

Doch diese Position des Verbandes ist in der Gastronomie höchst umstritten. Wie viele Restaurants, Bars und Eckkneipen dem Aufruf tatsächlich folgen werden, ist unklar. Etliche Wirte, die ihren Gästen wie Tim Coughlin am Winterfeldtplatz frische Luft verschaffen wollen, fürchten Nachteile, solange bei der Konkurrenz nebenan gequalmt werden darf. „Alle müssen sich beteiligen oder keiner“, so ihre Devise. Deshalb sind Glimmstengel auch in „Tim’s Canadian“-Restaurant vorerst unter der Woche noch erlaubt. Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (PDS) hat dafür Verständnis: „Wir brauchen eine einheitliche Regelung ohne Ausweichmöglichkeit für die Gäste. Die Wettbewerbsbedingungen müssen für alle Wirte gleich sein.“

Ein konsequenter Nichtraucherschutz im Sinne von Katrin Lompscher heißt auch, dass es künftig keine getrennten Raucher- und Nichtraucherbereiche mehr geben darf. Die beiden Zonen seien erfahrungsgemäß schwer zu trennen, die Luft vermische sich, nur teure Klimaanlagen könnten Nichtraucher effektiv vor passivem Mitrauchen schützen. Aber nur wenige Wirte hätten das Geld dafür. Beschwerden von Nichtrauchern seien deshalb an der Tagesordnung. Außerdem fehle oft der Platz für zwei Bereiche. Senatorin Lompscher will aus all diesen Gründen nur ein kleines Refugium für den reinen Tabakgenuss zulassen – eine Raucher-Lounge, in der keine Mahlzeiten oder Getränke serviert werden dürfen.

Dennoch werde das neue Gesetz keinen Wirt in den Ruin treiben, ist man sich im Senat sicher und verweist auf die Erfahrungen anderer europäischer Länder mit entsprechenden Rauchverboten. Außerdem lichten sich die Schwaden in der Gastronomie ohnehin. „Der Trend geht zum Nichtrauchen“, bestätigen Café- und Restaurant-Besitzer. Im Restaurant „Kolk“ in der Spandauer Altstadt räumen die Kellner abends „immer weniger volle Aschenbecher“ weg. Und: „Mehr Gäste denn je“ reservieren Nichtraucherplätzen, bevor sie dort Mohnpielen und andere Spezialitäte der ostpreußischen Küche genießen.

„Genuss“ ist auch das Stichwort für den michelinbesternten Küchenchef des Restaurant 44 im Swissôtel, Tim Raue. Seit Mitte Dezember ist sein „44“ rauchfrei, aber nur „ganz wenige“ der täglich mehr als 160 Gäste haben sich darüber beklagt. „Wer heute genussvoll tafeln will, der mag nicht umnebelt sein“, sagt Raue.

Im Qualm mögen die Berliner offenbar nur in ihrer traditionsreichen Eckkneipe sitzen. Dort herrscht dicke Luft, wenn die Gäste am Tresen über die Pläne des Senats herziehen. „Quatschen, Qualmen, Skat und die Molle gehören zusammen“, sagt Achim Büttner, Inhaber mehrerer Bierkneipen. „Unsere Umsätze haben sich seit 2000 schon halbiert, das Rauchverbot wäre ’ne Katastrophe.“ Nach seiner Vorstellung müssten Lokale ohne Speisekarte und weniger als 50 Plätzen ausgenommen sein. Das wäre aus Sicht der Drogenbeauftragten Köhler-Azara kein guter Zug. Weil „die Abgrenzung dann unklar ist“ und Ausnahmen die Kontrollen erschweren. Sie teilt auch nicht Büttners Sorge. „Wenn die Leute zum Rauchen überall vor die Tür gehen müssen, bleiben sie ihrer Lieblingskneipe treu.“

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