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Kinder müssen draußen bleiben: Ein Café-Betreiber in Prenzlauer Berg macht Ernst mit seinem Purismus. Hier gibt es nur Kaffee ohne alles.

© dapd

Anti-Kinderwagen-Poller im Café: Alle Eltern müssten doch Hurra schreien

Ein Gastronom in Prenzlauer Berg will keine Kinderwagen in seinem Café, deswegen hat er einen Betonpoller aufgestellt. Eine Welle der Empörung brach über ihn herein – warum eigentlich? Eine vierfache Mutter findet die Idee super.

Von Fatina Keilani

Aaah, endlich! Die Babysitterin hat die Kinder übernommen, Mama hat mal kurz frei, vielleicht eine Stunde oder auch zwei. Für den Besuch einer Ausstellung ist sie zu erschöpft, also steuert sie Richtung Café. Aber was ist das? Alles voller Latte macchiato trinkender Mütter mit sabbernden und plärrenden Babys, neugierigen Kleinkindern, die Kuchen zerkrümeln, mit ihren Schmierpfoten alles betatschen und meinen, die Leute an den umliegenden Tischen müssten auch noch von ihnen begeistert sein – typische Sprösslinge akademisch gebildeter Mütter, die meinen, der Nachwuchs müsse seine Persönlichkeit frei entfalten können.

Jetzt hat ein Gastronom beschlossen, da nicht mitzumachen – und schon bricht die Hölle über ihn herein. Ralf Rüller hat in sein Café „The Barn Roastery“ an der Schönhauser Allee einen Betonpoller gestellt, damit keine Kinderwagen durchpassen (Kinder, die sich benehmen können, dürfen aber hinein). Auch sonst ist Rüller streng: Keine Laptops, keine Handytelefonate, keine Hunde, kein Zucker im Kaffee, keine Milch im Filterkaffee, kein Milchschaum für Kinder. Doppelten Espresso gibt es mit geschäumter Milch, immerhin.

Stattdessen sollen die Erwachsenen miteinander reden, einander zuhören, in Ruhe Zeitung lesen. Es läuft auch keine Musik. Wer will, kann sich eben mal verabschieden aus der lauten Welt. Zu sich kommen. Die Gedanken ordnen. Oder auch, so will es Rüller, sich ganz dem Genuss seines Kaffees hingeben. Und was ist die Folge? Rüller ist der „Unmensch von Prenzlauer Berg“, ein „Kinderhasser“, er wird im Internet und in den Zeitungen angefeindet, außerdem wird ihm Diskriminierung vorgeworfen.

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Dabei ist sein Ziel absolut respektabel. Wer lebendiges Chaos will, kann es an jeder Ecke kriegen, Prenzlauer Berg und Mitte sind voll von lärmigen Läden. Wer Soja-Latte und eine Spielecke will, wird sie finden. Wer ohne sein Macbook nichts trinken kann, bitte – anderswo ist Platz. Warum also regt sich alle Welt über einen Gastronomen auf, der einfach nur konsequent seine Vorstellung davon verfolgt, wie sein Laden sein soll?

Was die meisten Mütter leisten, ist übermenschlich.

Da die Aufregung irrational wirkt, muss sie tiefere Gründe haben. Könnte sein, dass die niedrige Geburtenzahl in Deutschland Kinder zu so einer Rarität macht, dass die wenigen auf einen Schild gehoben werden müssen, quasi sakrosankt sind. Oder dass Eltern sich in unserer Gesellschaft ganz allgemein nicht genügend unterstützt fühlen – und nun will man sie auch noch von einem angesagten neuen Ort ausgrenzen, obwohl sie doch im Schweiße ihres Angesichts den Rentenbeitragszahler von morgen heranziehen!

Denn für so eine Rarität Verantwortung zu tragen, ist anstrengend. Als Mutter kann ich sagen: Was die meisten Mütter leisten, ist fast übermenschlich. Die schier endlose Hausarbeit, der Mangel an Anerkennung dafür. Dass man nur sieht, wenn im Haushalt keiner gearbeitet hat, nicht aber, was für ein Knochenjob es ist, die Bude in Schuss zu halten und für frische Wäsche im Schrank zu sorgen. Dann das Fehlen einer geistigen Herausforderung. Der ungesprächige Mann am Abend, der meint, auch sein Job sei anstrengend. Dann die eigentliche Verantwortung: Werte vermitteln, für gesunde Nahrung sorgen, nie die Aufsichtspflicht verletzen.

Kurzum: Der erziehende Elternteil – und meist ist es nun mal die Mutter – hat nur zwei Möglichkeiten, sich zu erholen. Chefs jetzt bitte mal weggucken: eine davon ist die Arbeit. Wie angenehm das ist, nur mit Erwachsenen zu reden! Alles nur einmal sagen zu müssen! Die Verantwortung für die Kinder für einen Moment los zu sein und sie nur für das eigene Handeln zu tragen!

Die zweite Möglichkeit zur Erholung ist die Zeit ohne Kinder. Deswegen strömen Paare an Wochenenden in die Wellness-Hotels, während Oma und Opa zu Hause einhüten. Oder man sucht sich kurze Auszeiten, zum Beispiel in einem Café ohne Kindergetöse. Eigentlich müssten alle Eltern Hurra schreien, dass es so einen Ort gibt. Was mich betrifft, so kann ich sagen: Nach einer erholsamen Stunde, in der ich ein anregendes Gespräch mit einem Erwachsenen führen konnte, bin ich auch wieder eine bessere Mutter.

Ein Café ohne Kindergetöse? Eigentlich müssten alle Eltern Hurra schreien, dass es so einen Ort gibt.

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