Berlin: Alle sind sich einig: Ohne die Kitas geht es nicht Schulen sind überfordert, wenn Migranten nicht früh gefördert werden – Ideenwettbewerb startet
Wer die schulischen und beruflichen Chancen von Migrantenkindern verbessern will, der muss damit in den Kitas anfangen. Diese Überzeugung dominiert zunehmend die Bildungsdebatte in Berlin.
Wer die schulischen und beruflichen Chancen von Migrantenkindern verbessern will, der muss damit in den Kitas anfangen. Diese Überzeugung dominiert zunehmend die Bildungsdebatte in Berlin. Am Montag hatte Schulsenator Klaus Böger (SPD) für eine Kitapflicht für so genannte Risikokinder plädiert. Seine Partei will zudem Kitas und Grundschulen in sozialen Brennpunkten besser ausstatten und den Sprachunterricht finanziell stärker fördern. Das fordert der SPD-Landesvorstand in einem Antrag zum Bildungsparteitag im April. Am Montagabend wurden diese Vorstöße nun von Wissenschaftlern, Pädagogen und Ärzten unterstützt. Bei der 1. McKinsey-Bildungswerkstatt traten sie für eine Kita-Reform ein.
Der Berliner Kinderarzt Ulrich Fegeler zitierte auf der von der Unternehmensberatung McKinsey organisierten Tagung die Ergebnisse der jährlichen Einschulungsuntersuchungen, wonach rund zwei Drittel der Migrantenkinder nicht in der Lage sind, den sprachlichen Anforderungen in der ersten Klasse zu folgen. Rund 60 Prozent der Migranten schaffen maximal einen Hauptschulabschluss.
Laut Fegeler führt es nicht weiter, wenn man Problemkinder aus deutschen oder ausländischen Familien – wie bisher – massenhaft in Sprach- und Bewegungstherapien schickt, die ihnen kurz vor der Einschulung auf die Sprünge helfen sollen. „Therapien sind teuer und bringen nichts“, fasste der Spandauer Kinderarzt seine Erfahrung zusammen. Seine Forderung: Die Kinder sollten „heraus aus der Medizin und hinein in die Kindergärten“. Außerdem müssten Kitas kostenlos sein.
Besondere Aufmerksamkeit fand ein Bericht aus Kanada: Dort begnügt man sich nicht damit, kostenlos Kitaplätze anzubieten. „Bereits in den Säuglingsstationen erfahren die Eltern, wie wichtig es ist, den Kindern vorzulesen und mit ihnen zu sprechen“, berichtete Petra Milhoffer von der Uni Bremen über das kanadische Modell. Schon Neugeborenen werden dort Mützchen mit der Aufschrift „Read to me“ aufgesetzt, damit die Eltern immer daran erinnert werden, wie wichtig Sprache für ihr Kind ist. Außerdem weisen überall im Land Plakate darauf hin, dass Lesen- und Schreibenkönnen ein Grundrecht ist.
„Die Dreijährigen sind die interessierteste Minderheit der Welt“, mahnte auch die Kindheitsforscherin Donata Elschenbroich, die davon überzeugt ist, dass die meisten Erzieherinnen offen dafür sind, ihre Kitas zu echten Bildungseinrichtungen auszubauen.
Um diesen Prozess zu befördern, hat McKinsey einen Wettbewerb ausgelobt, der von Deutschland-Chef Jürgen Kluge vorgestellt wurde. Unter dem Motto „Alle Talente fördern“ sind Kitas und Elterninitiativen, die sich um mehr Chancengerechtigkeit für Kinder im Vorschulalter bemühen, aufgerufen, ihre Projekte vorzustellen. Die drei besten Teilnehmer-Kitas erhalten je 5000 Euro, die 20 besten gewinnen ein Wochenende mit Workshops, Vorträgen und Gesprächen zu Themen wie Fundraising. Sie sollen auch Hilfestellung dabei bekommen, ihre guten Ideen publik zu machen und auf andere Einrichtungen zu übertragen.
Die Wettbewerbsunterlagen kann man im Internet unter www.mckinsey-bildet.de abrufen oder per Post anfordern unter „McKinsey bildet/Alle Talente fördern“, McKinsey & Company, Kurfürstendamm 185, 10707 Berlin. Bewerbungsschluss: 30. April 2005. Telefonische Auskunft unter 8845-2642.