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GESTERN, HEUTE: Alter Industriestandort auf der Suche nach dem anderen Image

ZEITREISE So geht es also auch: ein Plattenbaumonster aus den späten Siebzigern am S-Bahnhof Storkower Straße, bis zu 21 Stockwerke hoch, ehemals eine optische Zumutung, 1999 aber umgestaltet von dem spanischen Künstler Gustavo mit den für ihn typischen Spaßfiguren in Rot, Grün, Gelb, Blau. Dieser Gestaltungsmut muss abgefärbt haben, denn wenngleich man auf dem Weg zum Anton-Saefkow-Platz solche knalligen Töne nicht mehr wiederfindet, sind die sanierten Hochhausfassaden doch meist farblich attraktiv gestaltet, mit Flächen in gedecktem Ocker, Beige oder Gelb.

ZEITREISE

So geht es also auch: ein Plattenbaumonster aus den späten Siebzigern am S-Bahnhof Storkower Straße, bis zu 21 Stockwerke hoch, ehemals eine optische Zumutung, 1999 aber umgestaltet von dem spanischen Künstler Gustavo mit den für ihn typischen Spaßfiguren in Rot, Grün, Gelb, Blau. Dieser Gestaltungsmut muss abgefärbt haben, denn wenngleich man auf dem Weg zum Anton-Saefkow-Platz solche knalligen Töne nicht mehr wiederfindet, sind die sanierten Hochhausfassaden doch meist farblich attraktiv gestaltet, mit Flächen in gedecktem Ocker, Beige oder Gelb. Auch die Parkanlage am nahen Fennpfuhl hat sich gut entwickelt und ist, inmitten der ersten zusammenhängenden Plattenbau-Großsiedlung der DDR gelegen, fast ein urbanes Idyll. Die 1987 dort sporttreibenden Jungen hat die damals junge Bepflanzung noch wenig gestört, heute haben sich die Bäume breitgemacht, und vor einigen Jahren hat man den 1978/81 aus zwei Tümpeln zusammengefügten Pfuhl saniert und auch drumherum manches neu gepflanzt. Schade nur, dass das Restaurant „Seeterrassen“, seit Jahren geschlossen, immer mehr verkommt.

DAS NACHWUCHSPROBLEM

Lichtenberg machen Geburtenrückgang und Überalterung zu schaffen: 1991 lebten dort gut 16 Prozent über Sechzigjährige, im Juni 2007 waren es knapp 28 Prozent. Der Anteil der unter 18-Jährigen sank von 18 auf 12 Prozent. Lichtenberg hat damit nach Köpenick die zweitälteste Bevölkerung unter den östlichen Altbezirken. Die Einwohnerzahl betrug kurz nach der Wende 167 000, in diesem Sommer waren es 150 000. Der Geburtenrückgang, der „Wendeknick“, machte erst Kitas überflüssig, nun hat er die Oberstufen der Gymnasien erreicht. Junge Leute ziehen, wenn sie Familien gründen, lieber in andere Bezirke.

DER STRUKTURWANDEL

Lichtenberg stand immer für Industrie. Hier wirkten um die Jahrhundertwende Unternehmensgründer wie Paul Mendelssohn Bartholdy, die Gebrüder Siemens oder Georg Knorr – Männer mit Pioniergeist. Zu DDR-Zeiten wurden Stahl und Holz verarbeitet, Maschinen, Autos, Möbel, Haushaltsgeräte, Kugellager und Nahrungsmittel produziert. An der Rummelsburger Bucht, heute schickes Wohngebiet mit 4000 Wohnungen, arbeiteten Betriebe für Baustoffe, Energie, Chemie und Elektrotechnik. Nach der Wende blieben die Schultheiß-Brauerei und ein Rest Elektroanlagenbau. Angesiedelt haben sich Dienstleister aus Bau- und Metallbranche und die Deutsche Bahn (ICE-Wartungswerk). Berlins größte Wohnungsgenossenschaft (35 000 Mieter) hat hier ihren Sitz, zwei Krankenhäuser beschäftigen Ärzte und Pflegepersonal. Laut Wirtschaftsstadtrat Andreas Prüfer (Linke) existieren 16 000 gemeldete Unternehmen – allerdings mit einem Bruchteil der Arbeiter, die große Industriestandorte benötigen. Dagegen hat sich der Einzelhandel stark entwickelt. „Ich glaube, wir haben hier die höchste Dichte an Einkaufszentren Berlins. Wir erleben eine Discounterisierung“, sagte Prüfer im Interview, veröffentlicht im Buch „Plan B – Kulturwirtschaft in Berlin“ (Regioverlag). Das Problem der leer stehenden bezirkseigenen Gebäude versucht man im Rathaus u. a. mit der Ansiedlung von Kulturschaffenden zu lösen. Beste Beispiele: die „Heikonauten“, ein Zusammenschluss von Designern, Fotografen und Autoren in der Sewanstraße, oder die BLO-Ateliers, die aus Prenzlauer Berg an den Nöldnerplatz umgezogen sind.

LITERATUR

Plattenbau – eine alte Bauweise. So entstanden 1872/75 in Rummelsburg Fertigbauhäuser in einer Gasbetontechnik aus England, weshalb man das Viertel Victoriastadt nannte. Einige sind erhalten – und Thema im 1996 bei Haude & Spener erschienenen Band „Spaziergänge in Lichtenberg“ von Jan Feustel. Die in Büchern am ausführlichsten behandelte Ecke Lichtenbergs ist die Stasizentrale Normannenstraße. Schon in 3. Auflage gibt es bei DVA das Standardwerk

„Der Mielke-Konzern. Die Geschichte der Stasi 1945–1990“ von Jens Gieseke
, Projektleiter der Birthler-Behörde. Nur antiquarisch ist „Das Ministerium für Staatssicherheit. Anatonomie des Mielke-Imperiums“ von David Gill/Ulrich Schröter (Rowohlt Berlin) zu haben, ebenso von Jürgen Fuchs „Magdalena. Mfs. Memfisblues. Stasi. Die Firma. VEB Horch & Gauck“ (Rowohlt), eine Abrechnung mit der Stasi und deren Aktivitäten aufarbeitenden Behörde. ac, lei, AG

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