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Das Gewässer im einstigen Braunkohletagegebiet in der Lausitz wurde von 1967 bis 1972 geflutet.

© Kitty Kleist-Heinrich

Lausitzer Seenland: Am Senftenberger See kann die Saison beginnen

Der Senftenberger See ist wieder für Wassersportler freigegeben. Im Herbst drohte noch ein Mini-Tsunami.

Von Sandra Dassler

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Die meisten der rund 300 Schilder, die im Uferbereich des Senftenberger Sees vor Lebensgefahr warnen, sind bereits verschwunden. „Saison am Senftenberger See kann pünktlich starten“ lautete denn auch die Schlagzeile in den regionalen Zeitungen. Marianne Löwa ist so was von erleichtert. „Ich freue mich sehr auf die bevorstehende Saison“, sagt die Besitzerin der gleichnamigen Reederei: „Offiziell hat sie ja schon am Montag begonnen, meine Schiffe starten dann am Karfreitag.“ Wie alle im Lausitzer Seenland bei Cottbus hofft Löwa sehr, „dass wir nicht wieder solche schlimmen Verluste erleiden. Dieses Jahr muss es einfach gut gehen“.

2018 ging es nicht gut. Am 13. September war ein Teil der im See liegenden Insel ins Wasser gerutscht. Kurz darauf wurde der See gesperrt. Alle Boote mussten vom Wasser, man befürchtete gar einen „Mini-Tsunami“, dessen Kraft ausgereicht hätte, um Menschen zu töten oder den Senftenberger Hafen zu überfluten.

Wirklich überraschend kam das alles nicht. Zum einen hatte man schon im Frühjahr 2018 die Sperrbereiche für Boote und Surfer rund um die Insel vergrößert. Man vermutete kleinere Rutschungen, weil Untiefen, also mehr oder weniger große Sandbänke, entstanden waren. Ursache sollen unter anderem die Stürme des Jahres 2017 gewesen sein.

„Viele Anwohner, Bootsbetreiber und Fischer hatten aber bereits seit Jahren darauf hingewiesen, dass auch eine große Rutschung droht“, sagt Klaus Brinschwitz, der Leiter einer Wassersportschule am See. „Aber angeblich konnte niemand darauf reagieren, weil es dort seltene Pflanzen und Tiere geben soll. Jetzt, nachdem die Insel buchstäblich ins Wasser gefallen ist, ging es rasch. Nicht einer, sondern vier Bagger wurden in den vergangenen Monaten eingesetzt. Und so konnte die Sperrung zum Saisonstart am 1. April aufgehoben werden."

Weitere Sicherungsarbeiten im Winter

Korrekterweise müsste es heißen, dass die Sperrung des Gewässers nicht verlängert wurde, aber das ist den vielen Menschen, die hier vom Tourismus leben, herzlich egal. „Hauptsache, es passiert nicht wieder“, sagt Reederin Marianne Löwa, sie ist aber genau wie Klaus Brinschwitz optimistisch. Es hat sich herumgesprochen, dass die mit der Sicherung der Insel beauftragte Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LM BV) künftig jeden Winter weitere Sicherungsarbeiten vornehmen will. Schließlich wurde die Insel ohne große Sicherheitsmaßnahmen einfach stehen gelassen, als vor einem halben Jahrhundert der See aus dem ehemaligen Braunkohletagebau Niemtsch entstand.

„Tatsächlich erfolgte damals fast keine geotechnische Sicherung der von Anfang an setzungsfließgefährdeten Kippen, die heute als Insel sichtbar sind“, sagt LMBV-Sprecher Uwe Steinhuber. Der Senftenberger See befinde sich zwar im Eigentum des Landes Brandenburg, die LMBV habe aber noch die bergrechtliche Verantwortung für die Flächen, insbesondere im Bereich der Insel.

Diese sei bis heute noch instabil, dauerhaft gesperrt – und als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Deshalb hätten sich auf der Insel seltene Tier- und Pflanzenarten entwickelt, heißt es. Experten im Auftrag der Stiftung „Naturschutzfonds Brandenburg“ hätten auf dem 347 Hektar großen Eiland unter anderem den seltenen Europäischen Strandling entdeckt, eine immergrüne Pflanze, die bis zu zwölf Zentimeter groß wird.

Bei der LMBV geht man inzwischen davon aus, dass die notwendigen Sanierungsarbeiten an der Insel naturschutzgerecht möglich sind, beispielsweise durch eine sogenannte „leichte Rüttelverdichtung“. Natürlich erst nach Abschluss der diesjährigen Saison im Spätherbst.

Hohe Verlustdurch verkürzte Saison

LMBV-Sprecher Steinhuber weist zugleich Vorwürfe zurück, wonach die Vergabe der Aufträge zur Sanierung der Uferbereiche aufgrund von Vetternwirtschaft an eine ungeeignete Firma erfolgt sein soll. Man habe aufgrund einer bergrechtlichen Anordnung zur akuten Gefahrenabwehr die Vergabe als „besonders dringliche Leistung“ eingeleitet und sechs Sanierungsfirmen angefragt. Zwei hätten Angebote vorgelegt, die günstigere erhielt den Zuschlag. Diese habe allerdings „aufgrund der Frostsituation Ende Januar/Anfang Februar technologische Probleme gehabt“, mit denen im Winter zu rechnen war. Die LMBV habe deshalb eine weitere Fachfirma eingesetzt. Immerhin sei versprochen worden, die Arbeiten bis zum 31. März abzuschließen, um den Saisonstart zu sichern.

„Dafür sind wir alle sehr dankbar“, sagt Wassersportschulenchef Klaus Brinschwitz. Schließlich hatte er genau wie die Reedereichefin und viele andere durch die verkürzte Saison hohe Verluste. Entschädigt wurde niemand. „Das gilt als höhere Gewalt“, sagt Brinschwitz: „Obwohl es von Menschen gemacht wurde.“ Experten gehen inzwischen davon aus, dass die Instabilität der Insel nicht nur durch die Stürme 2017 oder von einer über die Insel trampelnden Wildschweinrotte ausgelöst wurde. Hinzu kam wohl auch der besonders geringe Wasserstand, weil der Senftenberger See zugleich als Speicherbecken genutzt wird und man wegen der Dürre im vergangenen Jahr (zu) viel Wasser entnommen hatte. Das soll künftig nicht mehr vorkommen.

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