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Frauen sind besonders häufig von antimuslimischen Übergriffen betroffen.

© IMAGO/Schoening

Anstieg um 68 Prozent: Meldestelle registriert „alarmierenden Anstieg“ antimuslimischer Übergriffe in Berlin

In ihrem Jahresbericht für 2024 dokumentiert Report! Berlin deutlich mehr rassistische Diskriminierungen und Vorfälle auf muslimisch gelesene Menschen. Auch antimuslimische Einstellungen würden zunehmen.

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Die Melde- und Informationsstelle Report! Berlin hat im vergangenen Jahr insgesamt 644 antimuslimische Vorfälle und Übergriffe in Berlin registriert. Das entspricht einem Anstieg von 68 Prozent im Vergleich zu 2023 (382 Vorfälle). Das geht aus dem ersten Jahresbericht hervor, den der Träger Claim am Mittwoch bei einer Pressekonferenz vorgestellt hat.

Demnach wurden 285 Diskriminierungen, 248 verbale Angriffe und 91 Fälle verletzenden Verhaltens – etwa Körperverletzungen und Sachbeschädigungen – registriert. „Das bedeutet fast zwei antimuslimische Vorfälle am Tag in Berlin“, sagte Rima Hanano, Co-Geschäftsführerin der Claim-Allianz. Sie geht von einer hohen Dunkelziffer aus.

Besonders betroffen seien Frauen, sagte Hanano – sehr oft auch in Begleitung ihrer Kinder. Das führt Claim etwa darauf zurück, dass Sexismus und Rassismus hier zusammen kämen. Frauen, die Kopftuch tragen, seien aber auch deutlicher als Musliminnen erkennbar. Sie würden immer wieder attackiert, bespuckt oder am Kopftuch gezogen.

Die Zahl der antimuslimischen Vorfälle ist laut Bericht besonders stark seit dem 7. Oktober 2023, dem Tag des Terrorangriffs der Hamas auf Israel, angestiegen – ähnlich wie auch die Zahl antisemitischer Vorfälle. „Muslim:innen werden immer wieder unter Generalverdacht gestellt und zum Sicherheitsproblem gemacht“, sagte Hanano.

Parallel würden Menschen sich durch gesellschaftliche Debatten dazu ermutigt fühlen, Muslim:innen zu attackieren. Das zeige sich etwa daran, dass Muslim:innen und als solche wahrgenommene Menschen zunehmend als „Bombenleger“, „Messerstecher“ oder „Antisemiten“ beschimpft würden.

Rund ein Drittel der dokumentierten Vorfälle wurden an Bildungseinrichtungen erfasst. Neu sei, dass etwa Schüler:innen nicht nur von Mitschüler:innen, sondern auch von Lehrkräften diskriminiert würden, hieß es.

Frauen besonders betroffen

Durch die hohen Fallzahlen und eine fehlende politische Reaktion darauf würden Betroffene mehr und mehr das Vertrauen in staatliche Stellen und die Politik verlieren, sagte Hanano: „Antimuslimischer Rassismus ist Gift für den sozialen Zusammenhalt und Nährboden für rechte Radikalisierung.“ Das Thema werde aber weitgehend ignoriert, auch die Existenz von antimuslimischem Rassismus werde immer wieder in Frage gestellt.

Die Claim-Allianz fordert, dass antimuslimischer Rassismus durch die Polizei besser erfasst werden müsse. Zudem sollten Beratungsstellen dauerhaft finanziert und unabhängige Stellen in Institutionen eingerichtet werden, an die Betroffene sich wenden können.

Die Allianz fordert auch, dass es für staatliche Stellen verpflichtende Fortbildungen geben und Verordnungen auf mögliche Diskriminierungen untersucht werden müssten – dazu zähle etwa das Neutralitätsgesetz an Schulen, das Frauen mit Kopftüchern benachteilige. „Der Berliner Senat kann sich nicht leisten, ein Problem zu ignorieren, das so viele Menschen betrifft“, sagte Hanano weiter.

Berlins Senatorin für Soziales und Antidiskriminierung, Cansel Kiziltepe (SPD), sprach mit Blick auf die Zahlen von einem „zunehmend vergifteten gesellschaftlichen Klima“. Antimuslimische Ressentiments würden genutzt, um die Gesellschaft zu spalten. „Alle Demokrat:innen sind aufgefordert, noch mehr dagegen zu tun, damit unsere Gesellschaft nicht verroht“, teilte Kiziltepe dazu mit.  

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