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Protest gegen eine AfD-Demonstration in Berlin

© dpa/Gregor Fischer

Anti-AfD-Demonstration: AfD droht Müller wegen Twitter-Kommentar zu Berliner Demo

Bei Twitter lobte die Berliner Senatskanzlei die Proteste gegen eine AfD-Demo. Die Partei sieht das Neutralitätsgebot verletzt und erwägt eine Klage. In ähnlichen Fällen hatte sie damit Erfolg.

Von Ronja Ringelstein

Jeder Mensch darf eine Meinung haben. Auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) – doch mit einem Tweet könnten er oder einer seiner Mitarbeiter zu weit gegangen sein. Am Sonntag vor einer Woche, als tausende AfD-Anhänger und zehntausende AfD-Gegner demonstrierten, setzte der Account „Der Regierende Bürgermeister von Berlin, @RegBerlin“ folgenden Tweet ab: „Zehntausende in Berlin heute auf der Straße, vor dem Brandenburger Tor und auf dem Wasser. Was für ein eindrucksvolles Signal für Demokratie und Freiheit, gegen Rassismus und menschenfeindliche Hetze.“

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Deshalb hat der Berliner AfD-Landesverband Müller nun mit einem Schreiben aufgefordert, eine Unterlassungserklärung abzugeben. „Wenn Herr Müller nicht als Parteipolitiker auftritt, sondern als Regierender Bürgermeister, ist das ein Eingriff ins Neutralitätsgebot“, sagt der rechtspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Marc Vallendar. Er ist freiberuflich Anwalt und schreibt für die Partei häufig Klagen.

Verfahren gegen Jusitzsenator Behrendt

Derzeit läuft bereits vor dem Verfassungsgerichtshof Berlin ein Organstreitverfahren gegen Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Denn der hatte 2017 angekündigt, Wahlkampfäußerungen des damaligen Leitenden Oberstaatsanwalts Roman Reusch, der inzwischen für Brandenburgs AfD im Bundestag sitzt, genau auf Verletzung des Mäßigungsgebots beobachten zu lassen. Die AfD sieht dadurch die Chancengleichheit im Wahlkampf verletzt. Gegen eine Aussage der früheren Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) auf der Homepage des Ministeriums gegen eine AfD-Demonstration im Jahr 2015 war die Bundespartei vor das Bundesverfassungsgericht gezogen – und hatte Ende Februar damit Erfolg.

Seit es die AfD gibt, fordern deren politischen Gegner, der rechten Partei nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken, nicht „über jedes Stöckchen zu springen“. Politiker hatten den Medien nach der Bundestagswahl sogar vorgeworfen, die „AfD groß gemacht“ zu haben. Doch die Auseinandersetzung mit der AfD stellt selbst Politiker und Parteien – auch Regierungsvertreter und Amtsträger – immer wieder auf die Probe.

Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebot

Als SPD-Landeschef, etwa auf einem Parteitag, kann Michael Müller gegen jeden politischen Gegner wettern, wie er möchte. Auch ein privater Twitter-Account, der Müller erkennbar als SPD-Politiker kennzeichnet, wäre ein denkbarer Ort für die politische Auseinandersetzung mit anderen Parteien, auch mit der AfD. Doch als Regierender Bürgermeister gilt für ihn das Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebot. Es schützt alle Parteien davor, von der Exekutive – deren Teil Müller als Regierender Bürgermeister ist – benachteiligt zu werden. Das Recht der Parteien auf Chancengleichheit wird verletzt, wenn Staatsorgane sich in dieser Funktion zugunsten oder zu Lasten einer politischen Partei äußern oder gar in einen Wahlkampf eingreifen. Sie sollen den Willen des Volkes repräsentieren und müssen daher politisch neutral bleiben.

Aber bewegt sich der Tweet der Senatskanzlei innerhalb dieser Grenzen? Immerhin wird nur der Einsatz von Bürgern gegen Rassismus und für Demokratie gelobt. Allerdings fand eine Demonstration etwa unter dem Motto „Die AfD wegbassen“ statt, eine andere hieß: „Stoppt den Hass! Stoppt die AfD!“ Sie richteten sich also direkt gegen die Partei – damit auch der Tweet gegen die AfD? Das könnte der Berliner Verfassungsgerichtshof nun klären. Denn auf die am Sonnabend an die Senatskanzlei verschickte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung der AfD hat noch niemand reagiert, sagt Vallendar: „Gibt Herr Müller die Erklärung, den Tweet zu löschen und nicht wieder zu veröffentlichen, nicht bis Donnerstag ab, werde ich Ende der Woche den Klageschriftsatz fertig machen und spätestens Anfang nächster Woche beim Berliner Verfassungsgerichtshof einreichen.“

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