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Berlins neuer Landeswahlleiter appelliert ans Verfassungsgericht, nicht zu hohe Anforderungen an die Wahlorganisation nicht zu stellen.

© Foto: dpa/Carsten Koall

Appell ans Verfassungsgericht: Berlins Landeswahlleiter warnt vor zu hohen Anforderungen bei Wahlwiederholung

Jeder muss in Präsenz abstimmen können, sagt das Verfassungsgericht. Laut Landeswahlleiter Bröchler würde es dafür nicht genug Wahlhelfer und Wahllokale geben.

Berlins neuer Landeswahlleiter Stephan Bröchler befürchtet, dass das Landesverfassungsgericht bei seinem Urteil über eine mögliche Wiederholungswahl zu hohe Ansprüche an die Organisation der Wahl formulieren könnte. Er appelliere an das Gericht, die Folgen seines Urteilsspruchs für die Wahlorganisation zu bedenken, sagte Bröchler am Freitag auf einer Pressekonferenz in der Hochschule für Wirtschaft und Recht, wo er als Professor tätig ist.

Hintergrund von Bröchlers Sorge ist eine Formulierung, die das Gericht in einer Pressemitteilung zur mündlichen Anhörung zum Wahlchaos 2021 wählte. In der Mitteilung heißt es, dass eine Wahl so organisiert sein müsse, „dass jede wahlberechtige Bürgerin und jeder wahlberechtige Bürger am Wahltag die Möglichkeit habe, eine vollständige und gültige Stimme unter zumutbaren Bedingungen in Präsenz abzugeben“.

Wenn Sie den 12. Februar im Hinterkopf haben, dann ist das ein guter Termin.

Landeswahlleiter Stephan Bröchler zum möglichen Datum der Wahlwiederholung

Bröchler stört sich an dem Wort „Präsenz“. Dies sei „erläuterungsbedürftig“ sagte der Landeswahlleiter. Er verwies darauf, dass von den 75 Prozent der Wahlberechtigten, die an der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2021 teilgenommen haben, etwa 40 Prozent per Brief abgestimmt hätten. Demnach hat 2021 nicht einmal die Hälfte der Wahlberechtigten in Präsenz abgestimmt. Mit einer ähnlichen Briefwahl-Quote rechnet der Landeswahlleiter auch bei einer Wiederholungswahl, wenngleich Abweichungen möglich seien.

Bröchler befürchtet „Dominoeffekt“

Bröchlers Ausführungen war zu entnehmen, dass die Wahlorganisation einen gewissen Prozentsatz Briefwähler einpreist. „Es wird ein nach wie vor einen hohen Anteil von Briefwählenden geben. Wie viel, ist schwer zu sagen“, sagte Bröchler. Dass tatsächlich alle Wahlberechtigten im Wahllokal ihre Stimme abgeben, sei „unrealistisch“.

Sollte tatsächlich die Vorgabe gelten, jedem Wahlberechtigten die Stimmenabgabe in Präsenz ermöglichen zu müssen, sieht Bröchler die „Gefahr eines Dominoeffekts“. Dann werde man weder mit den 38.000 anvisierten Wahlhelfer:innen auskommen, noch mit der geplanten Anzahl von Wahllokalen und Wahlkabinen. Der Landeswahlleiter verwies auch darauf, dass dies bis zu einem möglichen Wiederholungswahltermin in vier Monaten nur schwer zu bewerkstelligen sei.

„Wir werden ein Urteil natürlich eins zu eins umsetzen“, sagte Bröchler, erklärte jedoch auch seine Bitte, die Folgen der Wortwahl im Urteil zu bedenken, noch einmal schriftlich an das Verfassungsgericht zu richten.

12. Februar als Termin wahrscheinlich

Neben seinem Appell an das Verfassungsgericht äußerte sich Bröchler gestern zum Stand der Wahlvorbereitung. Dabei bestätigte er implizit den voraussichtlichen Wahltermin, sollte es zu einer Wiederholung kommen. „Wenn Sie den 12. Februar im Hinterkopf haben, dann ist das ein guter Termin“, sagte Bröchler.

Zum Stand der Vorbereitung sagte Bröchler, dass bereits verschiedene Maßnahmen getroffen wurde. Die Bestellung des Papiers für die Stimmzettel laufe bereits – dabei habe man 140 Prozent des notwendigen Bedarfs in Auftrag gegeben. Insbesondere will sich Bröchler um die Gewinnung und Schulung von Wahlhelfer:innen bemühen. Er kündigte an, das Gespräch mit Sportverbänden, Gewerkschaften und der Industrie- und Handelskammer zu suchen, um für einen Einsatz bei der Abstimmung zu werben.

Künftig soll es auch möglich sein, sich über die Homepage des Landeswahlleiters als Wahlhelfer:in zu melden. Darüber hinaus soll für die Freiwilligen das sogenannte Erfrischungsgeld erhöht und der Freizeitausgleich angepasst werden. Details dazu wolle die Arbeitsgruppe Wahlen, bestehend unter anderem aus ihm selbst, der Innenverwaltung und den Bezirken, am Montag beschließen, sagte Bröchler. Die Schulungen für Wahlhelfer:innen – bislang Sache der Bezirke – sollen standardisiert werden.

Bröchler betonte, dass nicht alle Handlungsempfehlungen der „Expertenkommission Wahlen“, die in Folge der zahlreichen Wahlpannen 2021 eingesetzt wurde und der Bröchler ebenfalls angehörte, bis zur möglichen Wiederholungswahl umgesetzt werden können. Eine Reform der Landeswahlordnung und des Landeswahlgesetzes soll bis spätestens 2026 erfolgen, wenn die nächste reguläre Wahl stattfindet. Das Gleiche gilt für den Aufbau eines Landeswahlamtes.

„Wir haben schwere Organisationsdefizite festgestellt“, fasste Bröchler die Analyse der Expertenkommission zusammen. „Was wir nicht festgestellt haben, war ein systemisches Totalversagen.“ Damit wandte sich Bröchler auch explizit gegen die Aussagen des Bundesverfassungsrichters Peter Müller. Dieser hatte die Vorgänge in Berlin mit einem „diktatorischen sogenannten Entwicklungsland“ verglichen. „Wir müssen beweisen: Berlin kann Wahlen, jetzt erst recht“, sagte Bröchler.

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