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Dienst-E-Mail angekommen: Darf der Chef die an sich weiterleiten?

© IMAGO/Zoonar

Arbeitsgericht Berlin entscheidet über Lichtenberger Bürgermeister : Wenn der Behördenchef sich ins Mail-Postfach hackt

Ein Fall aus Lichtenberg beschäftigt die Justiz. Der Bezirksbürgermeister las die E-Mails eines freigestellten Mitarbeiters. Nun wird geurteilt. Die Folgen für den öffentlichen Dienst könnten gravierend sein.

Stand:

Wenn es nach dem Lichtenberger Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) geht, dürften Vorgesetzte und Behördenleiter einfach in die persönlichen Dienst-E-Mails ihrer Mitarbeiter schauen. Schaefer selbst hat das getan – und ist nun ein Fall für das Arbeitsgericht.

Der Fall reicht über die Lichtenberger Amtsstuben hinaus. Sollte Schaefer recht behalten, hätte das Folgen auch für andere Behörden in Berlin. Oder sogar bundesweit? „Dann darf die Justizsenatorin in ihre E-Mails schauen“, sagte der betroffene Mitarbeiter C. Mitte September vor dem Arbeitsgericht. „Dann muss jeder Polizist damit rechnen, dass die Polizeipräsidentin mitliest.“

Am Mittwoch, 15. Oktober, entscheidet das Gericht über den Fall. Der Kläger ist Katastrophenschutzbeauftragter des Bezirksamts. Es ist nicht das einzige Verfahren, dass er gegen den Bezirksamtschef führt. Schaefer hatte den Mitarbeiter im Februar freigestellt. Grund war ein Rettungseinsatz im Bezirksamt.

C. hatte einem Senior geholfen, der zusammengebrochen war. Dabei soll Schaefers persönlicher Referent den Katastrophenschutzbeauftragten, der ausgebildeter Rettungssanitäter ist, gestört haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Konsequenzen hatte das nur für C. Die von ihm erledigten Aufgaben liegen seither brach.

Betroffen ist etwa das Projekt „Urban Heats Lab“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Mit neuer Technologie, wissenschaftlich begleitet und mit 120.000 Euro Fördergeld sollte beim Hitzeschutz Neuland bei Stadtplanung betreten werden. Künstliche Intelligenz sollte Hitze-Hotspots identifizieren und Maßnahmen vorschlagen. Doch die Fördermittel sind nun futsch.

Welcher Sprit muss ins Notstromaggregat?

Schaefer bringt als Grund „nachträgliche, unvorhersehbare Personalentwicklungen im eigenen Haus, insbesondere in der Projektleitung“ an. Also bei C. Weil Schaefer das Projekt abwickelte, wollte er im Juli noch mal nachschauen, ob weitere Beteiligte informiert werden müssen – und mit welchem Kraftstoff das Notstromaggregat befüllt ist. So wurde es dem Arbeitsgericht berichtet.

Mehr als 900 seit Februar ungelesene E-Mails fand er, mehr als 100 leitete er an sich weiter. „Ein Blick in den Tankdeckel hätte gereicht, Diesel ist gelb, Heizöl ist rot“, sagte der Anwalt von C., Christian Teppe. Außerdem habe C. eine Abwesenheitsnotiz eingerichtet: Wichtiges sollte ans Funktionspostfach für den Katastrophenschutz geschickt werden, auf das Schaefer Zugriff habe.

Auch der Personalrat des Bezirksamts erfuhr vorher von Schaefers Spähaktion und protestierte, er müsse bei solchen Eingriffen beteiligt werden. Zumal in den Mails Persönliches steht, Korrespondenz mit dem Personalrat etwa. Auch der Berliner Hauptpersonalrat widerspricht Schaefer – und verweist auf eine Dienstvereinbarung mit dem Land.

Wollten Vorgesetzte in ein persönliches E-Mail-Postfach schauen, brauche es triftige Gründe, heißt es vom Hauptpersonalrat. Ist ein Mitarbeiter länger krank und es muss ein heikler Fall bearbeitet werden, stimmten die Personalräte in der Regel zu. Dann sei die Einsichtnahme begrenzt, klar geregelt und der Personalrat dabei.

Anders sieht es Schaefer: Alle E-Mails im personalisierte Dienstpostfach seien Post des Dienstherrn, also des Bezirksamts. Und er dürfe ohne Personalrat einfach reinschauen, müsse nicht mal prüfen, ob es vielleicht ein milderes Mittel gibt – etwa einfach ein Anruf bei C., der sagen könnte, wo was zu finden ist.

Stattdessen rief Schaefer seinen Datenschutzbeauftragten, den Rechtsamtschef und einen IT-Mitarbeiter zu sich. Das Postfach wurde geknackt und alles per Video aufgenommen, angeblich um zu beweisen, dass sie nichts Unrechtes geschieht. Auch ein Protokoll gab es, das laut Anwalt Teppe aber nicht unterzeichnet war.

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