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Auf der Suche nach illegalen Gewinnen: Berliner Justizsenatorin fordert Reform der Gewerbeaufsicht
In einem Schreiben an die Senatskanzlei warnten die bezirklichen Ordnungsämter vor rechtsfreien Räumen durch fehlende Gewerbeüberwachung. Dabei können solche Einsätze effektiv sein.
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Die Berliner Justizsenatorin dringt auf eine Reform der Gewerbeaufsicht – und dabei vor allem auf gestärkte Ordnungsämter. „Es braucht eine Neujustierung der Zuständigkeiten bei der Gewerbeüberwachung und eine angemessene personelle Ausstattung“, sagte Felor Badenberg (CDU) dem Tagesspiegel. In Läden, in denen Akteure der Organisierten Kriminalität (OK) mitmischen, seien regelmäßige Kontrollen nötig: „Dazu gehören Spielhallen, Wettbüros, Prostitutionsstätten, Pfandleihhäuser und Finanzvermittler.“ Das Kompetenzgerangel störe, wo doch OK-Strukturen zerschlagen werden sollten.
Badenberg reagiert damit auf die Debatte um die zwischen bezirklichen Ordnungsämtern und dem Landeskriminalamt geteilte Gewerbeaufsicht. Die Spitzen der zwölf Berliner Ordnungsämter hatten sich vor einigen Tagen an Senatschef Kai Wegner (CDU) gewandt. Berlin verfüge „faktisch über keine funktionierende Gewerbeüberwachung mehr – mit gravierenden Folgen für Rechtsstaat, Sicherheit und fairen Wettbewerb“, klagten sie. Badenberg sagte, sie teile die Sorgen der Ordnungsämter.
Spielautomaten und Geldwäsche
OK meint in Fachkreisen planmäßig, gewerblich begangene Straftaten „erheblicher Bedeutung“, deren Gewinne gewaschen werden. Dazu werden, wie vielfach berichtet, auch Automatencasinos und Wettcafés genutzt. Solche Gewerbe werden zwar meist von den bezirklichen Ämtern genehmigt. Ob danach aber alle Regeln eingehalten oder sogar Wirtschaftsstraftaten verübt werden, müssen Polizisten prüfen.
Doch „ist das Landeskriminalamt personell nicht mehr in der Lage, die gesetzlichen Aufgaben der Gewerbeüberwachung effektiv wahrzunehmen“, heißt es in dem Brandbrief. Für jene Gewerbeeinheit im Landeskriminalamt sind formal zudem Wirtschafts- und Innenverwaltung zugleich zuständig, also die Senatorinnen Franziska Giffey und Iris Spranger (beide SPD).
Finanzermittlungen seien aufwendig, gerade wenn wie in Berlin „polizeilich äußerst erfahrene Großfamilien aus dem Clan-Milieu“ mitmischten, wie es ein Beamter ausdrückt. In Sicherheitskreisen wird auch deshalb auf Gewerbekontrollen verwiesen, weil sie vergleichsweise niederschwellig, mit ausreichend Personal aber potenziell effektiv seien.
So wurden während einer Kontrolle im April in diversen Klein-Casinos insgesamt 109 unerlaubt betriebene Spielautomaten und darin befindliche 100.000 Euro in bar vorläufig konfisziert. Anschließend lasen die Ermittler deren Speicherkarten aus, auf denen frühere Einnahmen und Betriebszeiten vermerkt sind. In diesem Fall ergab das Auslesen der Chips: Neben den 100.000 Euro waren circa drei Millionen Euro in den Automaten verspielt worden – ohne in den Büchern aufzutauchen.
Illegitimes Vermögen einziehen
Dieses Geld kann die Justiz von den Betreibern der illegalen Casinos einfordern, zur Not gerichtlich. Allerdings, darauf verweist die Senatsjustizverwaltung, nur mit dem aufwendigeren der zwei Wege im Ordnungswidrigkeiten-Gesetz. Häufig nutzen die Ordnungsämter den Bußgeldbescheid. Wird ein Bußgeld verhängt, zahlen die Betroffenen oft umgehend, weil dafür der Gewinn aus den Automaten nach dem „Nettoprinzip“ errechnet wird, bei dem der Betreiber zuvor Aufwendungen abziehen darf.
Aufwendiger ist der Einziehungsbescheid. In diesem Fall können Ämter bei angenommenem Vorsatz durch den Betreiber nach dem „Bruttoprinzip“ vorgehen, wonach alle rechtswidrigen Einnahmen ohne Abzug etwaiger Kosten zugrunde gelegt werden.
Dieses Verfahren braucht aber schon für die erste Begründung juristische Expertise, zudem klagen die betroffenen Automatenbesitzer wegen des hohen Schadens öfter vor Gericht dagegen. Die Justizverwaltung hat den Ordnungsämtern angeboten, mit Juristen auszuhelfen – ein Leitfaden ist verfügbar. Wegners Senatskanzlei wird den Lenkungskreis der Ordnungsämter im November über die Lage beraten lassen.
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